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Theater Theater: Brecht-Schauspieler und Gedichteschreiber wird 75

Von Elke Vogel 24.05.2005, 05:33

Berlin/dpa. - Der Meisterpersönlich holte den exaltierten Heißsporn 1952 aus der ostdeutschenProvinz ans Berliner Ensemble.

Heute tritt Schall regelmäßig am Theater 89, einer Freien Bühnein Berlin auf. Er spielte in Ödön von Horvaths «Ein Kind unsererZeit» und Michael Frayns «Kopenhagen». Als nächstes Projekt werde erRolf Hochhuths Theatermonolog «Tod eines Jägers» über die letztenStunden Ernest Hemingways auf die Bühne bringen, sagte Schall derdpa. Premiere sei am 27. Oktober.

Im nächsten Jahr spielt Schall außerdem den «Lear» amVolkstheater Rostock, wo seine Tochter Johanna Schauspieldirektorinist. «Wenn man noch einmal etwas arbeitet, dann überlegt man es sichvorher genau und steigt dann vollkommen hinein und macht es mitallem, was man noch kann.» Die meiste Zeit aber widmet er demSchreiben. «Ich schreibe meistens Gedichte», sagte Schall, derbereits an seinem dritten Band arbeitet.

Seinen Geburtstag will der in Berlin und im brandenburgischenBuckow lebende Schall nicht groß feiern: «Am Nachmittag könnenLeute, die mich gern haben, bei mir in Berlin vorbeikommen.»

Schall wurde am 29. Mai 1930 in Magdeburg geboren. Sein erstesEngagement bekam er 1948 am Stadttheater Frankfurt (Oder). Später wardie starke Bindung an Brecht die Basis seines Erfolgs, wie Kritikermeinen. Spätestens in der Titelrolle des Stücks «Der aufhaltsameAufstieg des Arturo Ui» gelangte der Brecht-Protagonist zu Weltruhm.

Nach dem Gastspiel des Berliner Ensembles beim Theater derNationen in Paris im Jahr 1960 schrieb der «Figaro»: «Das ist VictorBoucher und Charlie Chaplin in einer Person.» Schalls großes Vorbildaber war der Schauspieler und Sänger Ernst Busch. Der war in seinenAugen «so wunderbar proletarisch in jeder Aussage, jeder Rolle».Mehr als 500 Mal spielte Schall den mafiösen Arturo Ui.

Neider bezeichneten Schall oft als «Hauptrollenspieler». DerSchauspieler beeindruckte als Coriolan, Azdak, Puntila, Fatzer, Baalund Galilei. Zu DDR-Zeiten trugen auch Fernsehproduktionen wie«Schlösser und Katen», «Berlin - Ecke Schönhauser», «Wolf unterWölfen» oder «Die unwürdige Greisin» zu seiner Popularität bei. Bis1991 gehörte Schall dem Berliner Ensemble an, von 1977 an war erdort auch stellvertretender Intendant gewesen.

Nach dem Mauerfall zog sich Schall ohne großes Aufsehen von«seiner» Bühne zurück. Er spielte an anderen Berliner Theatern undin der Off-Szene, gastierte in Salzburg und bei den RuhrfestspielenRecklinghausen. 1996 kehrte Schall noch einmal an das BerlinerEnsemble zurück: Für die Uraufführung von Heiner Müllers letztem,posthum aufgeführten Stück «Germania 3 - Gespenster am toten Mann».

Mit seiner Tochter Johanna und dem Brecht-Programm «Eins gegeneins oder ich hab (B)Recht» tourte er 1998 erfolgreich durch ganzDeutschland. Einen Skandal provozierte der Schauspieler, als er fürCD-Aufnahmen Auszüge aus Adolf Hitlers «Mein Kampf» las. Der Verlagzog die Aufnahme schließlich zurück. Unter der Regie von Ulrich Mühespielte Schall im vergangenen Jahr in «Der Auftrag» - aufgeführt zumGedenken an den 75. Geburtstag von Heiner Müller.