The Sisters of Mercy The Sisters of Mercy: Ratloses Stochern im Bühnennebel
Leipzig/MZ. - Der "Tempel of Love" bleibt in dickem Nebel verborgen, die Akteure schemenhaft. Andrew Eldritch lässt auch im Leipziger Haus Auensee keinen Zweifel daran, warum er die aktuelle Tour seiner Sisters of Mercy "Smoke and Mirrors" genannt hat: Sichtverhältnisse im Saal wie in einer Londoner Novembernacht. Die Gothik-Wave-Veteranen sind wieder da.
Mehr als zwölf Jahre nach dem letzten Album "Vision Thing" ist der 43-jährige Sprachwissenschaftler und Exzentriker Eldritch mal wieder auf großer Europatournee - mit einer Retrospektive auf die über 20-jährige Bandgeschichte, die auch die Geschichte des Einstellens und Rauswerfens neuer Musiker ist. Derzeit tun Adam Pearson und Chris Sheehan Dienst an den Gitarren. Und hat Eldritch gar neues Material dabei für eine seit langem erwartete neue Platte?
Nun, es gibt von beidem etwas, bei neueren Dingen nicht unbedingt immer zur Freude der Fans, die auch schon mal Buh rufen. Die Mittdreißiger unter den Anhängern haben die alten Sisters-Shirts von Tourneen Anfang der 90er hervorgekramt, sonst herrscht dezentes Schwarz und sogar Lackschuh statt Schnürstiefel. Und selbst knapp 17-jährige Bleichgesichter, die Haute-Couture-Grufties, scheinen nie auszusterben. Herr Eldritch selbst trägt jetzt kurzes Strohblond und - das einzig beständige - Sonnenbrille zu Armee-Hosen und Lederjacke.
Unschlüssig steht das Publikum, hofft auf die alten Gassenhauer. Und Eldritch haucht "Mother Russia", schreit "Alice" in hundertfachen Echos in den Saal. Da fliegen die Arme. Doch der Blick in den Spiegel der Vergangenheit wird immer wieder getrübt. Einem Zerrbild gleich die vergleichsweise neuen Stücke, wenig tanzbar, wenig zum Mitgrölen und doch so melodisch ("We are the same, Susanne"). Erst im zweiten Teil des Konzerts springt der Funke über: Die Gitarren und Eldritch brüllen ein sehr schnelles "First and Last and Always" und nach der Zugabe ein wundervoll düsteres "Lucretia my reflection".
Guter Rock'n Roll - nicht mehr, aber auch nicht weniger. Dafür gehen 28 Euro in Ordnung. Doch nach "Vision Thing" und knapp eineinhalb Stunden hebt sich der Nebel, das Licht geht an. Das Spiegelbild bleibt verschwommen.
Sisters of Mercy spielen am Donnerstag in der Stadthalle Magdeburg. Das Konzert beginnt um 20Uhr.