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The Rolling Stones The Rolling Stones: Aus einem Guss

Von Andreas Montag 09.12.2016, 11:20
Ron Wood, Charlie Watts, Mick Jagger und Keith Richards (von links) am 25. März 2016 in Havanna, Kuba
Ron Wood, Charlie Watts, Mick Jagger und Keith Richards (von links) am 25. März 2016 in Havanna, Kuba dpa

Halle (Saale) - Nein, das hatte man den Rolling Stones eigentlich nicht mehr zugetraut: Sie haben sich, nach Jahrzehnten im kommerziell überaus erfolgreichen Tourneegeschäft als eine Art Tanz- und Schau-Orchester der Rock-Sparte  einen gewaltigen Ruck gegeben und mit „Blue & Lonesome“ ein Album produziert, das die Band, eine der dienstältesten der Welt, geradewegs  zu ihren musikalischen Wurzeln geführt hat - zum Blues.

Die alten Herren hatten Spaß

Diese Arbeit muss den betagten, millionenschweren  Herren Mick Jagger (73), Keith Richards (wird am 18. Dezember 73 Jahre alt), Charlie Watts (75) und Ron Wood (69) enormen Spaß gemacht haben. Man spürt es vom ersten Takt an. Und das Hörvergnügen, dem man zunächst gar nicht so recht trauen mag, hält wirklich an. Kein Heuler à la „Angie“  ist dazwischen gemogelt, hier wird nicht geschunkelt und die Feuerzeuge dürfen auch in der Hosentasche bleiben. Wunderbar, ganz ausgezeichnet.

Natürlich werden nun alle ewigen Nörgler auch in dieser Suppe ein Haar finden wollen: Was soll daran schon Sensationelles sein? Die weltbekannte Combo, die selbst die prüden,  kommunistischen Funktionäre Kubas geknackt hat und  in diesem Frühjahr auf Castros Insel  bei freiem Eintritt Rabatz für Zehntausende machen durfte, hätte sich schließlich nichts mehr beweisen müssen.

Muddy Waters war früher Held für späte Stones

Vielleicht ja doch. Wohl wird man  auf der Höhe unzerstörbaren Ruhms  nicht öffentlich erklären,  künstlerisch schon lange nichts Relevantes mehr beigesteuert zu haben. Aber es wird den Musikern ja selbst nicht verborgen geblieben sein, wie weit sie sich von den Anfängen weggespielt hatten, nicht nur auf der Zeitachse.

Muddy Waters (1913-1983), einer der Größten des schwarzen amerikanischen Blues, war ein früher Held für die späteren Stones, von einem seiner Songs haben sie ihren Bandnamen entlehnt. Bei ihrem britischen Landsmann Alexis Korner (1928-1984), durch dessen Schule fast die ganze Spitzenriege der britischen Rockmusiker ging, die in den 1960er Jahren antraten, standen Jagger und Richards  als junge Dachse auf der Bühne. Und durch Korners Vermittlung lernten sie auch den begnadeten Gitarristen Brian Jones kennen, ohne den die Stones niemals die Stones geworden wären. Spät erst haben sich die  Alphatiere vor ihrem jung verstorbenen Kollegen verneigt.

Überhaupt  sind Jagger & Co.  immer auf der Suche nach „Satisfaction“ - und  zu keiner Zeit Kinder von Traurigkeit gewesen. Jedenfalls nicht, wenn es um den eigenen Spaß - und ums Geldverdienen ging. Es hat dabei  zuweilen Krach gegeben, auch zwischen den beiden Führungsfiguren, aber am Ende sind immer die anderen vom  Spielfeld geflogen.

Der Gitarrist Mick Taylor zum Beispiel, der 1969 für den ausgeschlossenen Brian Jones in die Band kam und schon nach fünf Jahren wieder ging, weil er für seinen guten,  leidenschaftlich ausgeübten  Job nicht recht gewürdigt worden war, wie er fand.

Ironie des Schicksals

In die Zeit von Taylors Mitwirkung fallen die bedeutenden Stones-Alben „Sticky Fingers“ (1971) und „Exile on Main St.“ (1972). Was man, je nach Geschmack,  musikalische Verwandtschaft oder  Ironie des Schicksals nennen kann: Auf „Blue & Lonesome“, dem 2016er Wurf der Stones, gibt es Songs, in denen man neben dem Schulterschluss mit dem späten Bob Dylan auch ein paar Anklänge an „Treasure Island“ entdecken kann, ein hervorragendes, aber leider nicht weltberühmt gewordenes Album von Nikki Sudden.

Der in Berlin lebende Engländer, natürlich auch mit den Stones bekannt, starb 2006 mit nicht einmal 50 Jahren den Rockertod - hinter der Bühne, unmittelbar nach einem Konzert in New York City. „Treasure Island“ war zwei Jahre zuvor erschienen  und auch in Halle live vorgestellt worden. Unter den Musikern, die die Aufnahmen im Studio eingespielt hatten, war ein gewisser Mick Taylor.

Jener Mann, der bei den Stones nie so recht zum Zuge gekommen war.Indem die Rolling Stones nun die Rückkehr zu sich selbst zelebrieren, erweisen sie  sich   einen großen Gefallen:  Sollte die Band sich morgen (was unwahrscheinlich ist) oder irgendwann (was   unvermeidlich ist) auflösen - dieses Spätwerk wird bleiben, damit schreiben    die Stones noch einmal Geschichte.

Das Auftaktstück, „Just Your Fool“, scheppert so fidel und lebensweise, als wollten Jagger und Genossen eine  Jazz-Parade durch das French Quarter von New Orleans anführen. Aber  das Stück eignet sich auch hervorragend dafür, um auf auf Beerdigungen gespielt zu werden. Und dann gleich die ganze, zwölf Songs enthaltende Platte. Sie ist  aus einem Guss.  (mz)