The National: Erfolg mit düsteren Hymnen
Berlin/dpa. - Qualität setzt sich durch - auch wenn's manchmal etwas länger dauert. Nach diesem Motto schafft in den USA alle paar Jahre die eine oder andere tolle Rockband ganz ohne Hype und Anbiederei den verdienten Durchbruch.
Nach R.E.M. in den 90er Jahren und Wilco in den «Nullern» ist es nun das vergleichbar talentierte Quintett The National, das mit seinem schwermütigen Indie-Pop nicht nur Kritiker, sondern auch ein Massenpublikum begeistert.
Das neue Album «High Violet» ist nach «Alligator» (2005) und «Boxer» (2007) bereits ihr drittes Meisterwerk nacheinander. «Es ist ein weiterer Schritt vorwärts für die Band», gibt sich Multi-Instrumentalist Aaron Dessner im Interview mit der Deutschen Presse-Agentur bescheiden. «Der einzige Druck bestand darin, dass wir weiterhin Leidenschaft für unsere Musik empfinden mussten - und uns nicht wiederholen wollten.»
Das ist den fünf Musikern aus der angesagten Musikmetropole Brooklyn - neben Aaron Dessner noch sein Bruder Bryce, Sänger Matt Berninger sowie Bryan und Scott Devendorf - fabelhaft geglückt. «High Violet» strotzt nur so vor erlesenen Melodien, die von Berningers tiefer, flexibler Stimme gekrönt werden. Piano, Cello, Chorgesänge und exotische Instrumente wie Bassklarinette, Waldhorn oder Posaune verleihen Liedern wie «Runaway» oder «Bloodbuzz Ohio» etwas Hymnisches, fast Sakrales.
Oft münden die Songs - vorangetrieben von Bryan Devendorfs präzisem Schlagzeugspiel - in einen mächtigen «Wall Of Sound», auf den sogar Phil Spector stolz gewesen wäre. «Es gibt diesmal eine Menge Schichten in unserer Musik, auch die vielen Stimmen sollen das Gemeinschaftsgefühl dieser Band ausdrücken», sagt Aaron Dessner zum Produktionsprinzip von «High Violet». Die teils abgrundtief düsteren Texte - etwa «Sorrow» oder «Afraid Of Everyone» - bestätigen den Ruf von The National als Lieblingsband für Trauerklöße.
Dass damit wieder keine echten Singles abfallen, können The National verschmerzen. «Unser Freund Michael Stipe von R.E.M. machte uns Mut, mal Pophits zu schreiben», erzählt Dessner im dpa-Interview. «Leichter gesagt als getan. Wir haben es versucht, aber es klang irgendwie hässlich und sonderbar.» Also versucht die Band weiterhin über die Gesamtwirkung ihres Albums ein breites Publikum zu finden. Glaubt man dem Internet-Hype der vergangenen Wochen, als die Musikfans nicht nur in den USA sehnsüchtig auf «High Violet» warteten, ist diese eher konservative Rechnung aufgegangen.
Apropos konservativ: Genau das Gegenteil lässt sich über die politische Ausrichtung der Band sagen. Nicht nur gehörte der The-National-Song «Fake Empire» zur Präsidentschaftskampagne von Barack Obama 2008 - auch heute noch sehen sich die Fünf als politisch engagierte Künstler, «obwohl die Menschen ja eigentlich keine Musiker brauchen, die ihnen sagen, was sie denken oder wen sie wählen sollen».
Im Vorjahr haben die Dessner-Brüder das ambitionierte Aidshilfe-Projekt «Dark Was The Night» vorangetrieben und dazu Dutzende der besten Indierock-Musiker Nordamerikas für ein höchst erfolgreiches Doppelalbum zusammengeführt. Mit Blick auf Obamas Probleme gut ein Jahr nach seiner Wahl meint Aaron Dessner: «Amerika ist ein sehr deprimierendes Land. Politiker und Medien können ohne jede Konsequenz bösartige, irreführende Propaganda verbreiten.» The National wollen im Gegenzug alles dafür tun, dass Obama dennoch wiedergewählt wird. «Irgendwie sind wir also wohl doch eine politische Band.»