Thalia-Theater Halle Thalia-Theater Halle: Lebendiges Bild des Mädchens Anne Frank

Halle (Saale) - Die Geschichte der Anne Frank ist durch ihr hinterlassenes Tagebuch weltbekannt, sie hat auf der Bühne und in Filmen ein riesiges Publikum erreicht. Das macht es nicht leichter, sich dem Stoff zu nähern, dessen Relevanz freilich niemand, der Herz und Verstand hat, in Zweifel ziehen wird.
Nun hat das Ensemble des halleschen Thalia-Theaters im Saal des Neuen Theaters, wo es seit dem Verlust der eigenen Spielstätte zu Hause ist, eindrucksvoll gezeigt, wie packend persönlich man das Erwachsenwerden des jüdischen Mädchens Anne zeigen kann, das nicht mehr erwachsen werden durfte, sondern 1945 im Konzentrationslager Bergen-Belsen in Niedersachsen sein Leben verlor.
Große Authentizität und Glaubwürdigkeit
Katharina Brankatschk inszenierte „Anne“ nach der Vorlage eines Stückes des niederländischen Autorenpaares Jessica Durlacher und Leon de Winter mit schnörkelloser Konzentration, die Darstellerriege um die Hauptfigur (fabelhaft gespielt von Annemarie Brüntjen) ist jederzeit auf der Höhe.
Die Fallhöhe indes ist durch die modernere, zugewandtere Sicht auf Anne Frank, wie sie nun gelten darf, nicht geringer geworden. Hob frühere Betrachtung stets besonders auf den Respekt vor dem Opferschicksal ab, hinter dem der lebendige Mensch Anne bisweilen fast konturlos wirkte, tritt einem nun eine begabte, aufmüpfige, verliebte Heranwachsende entgegen - mit allen Nöten (und allen Glücksmomenten), die man in der Pubertät nur erleben kann.
Die „Vermenschlichung“ der Schmerz-Ikone aber ist es, die ihr Schicksal um so fassbarer - und und um so grausamer nachvollziehbar macht. Auch die anderen Leidensgefährten im Amsterdamer Versteck (neben den Eltern und der Schwester Annes noch ein Ehepaar samt Sohn sowie ein weiterer Mann) gewinnen vor dem Hintergrund des Hungers und der täglichen Angst vor der Entdeckung durch die Nazis große Authentizität und Glaubwürdigkeit.
Anlass zum Staunen
Niemand wird doch glauben wollen, dass sich Menschen in solch furchtbarer Lage stets nur heldenhaft und solidarisch verhalten. Allein die Figur der Frau van Pels (großartig: Danne Suckel), die den Absturz aus wohlhabenden Verhältnissen in die Bedrängnis des Verstecks, das so viele Menschen teilen müssen, nur schwer verkraftet, macht die Verzweiflung der Illegalen überdeutlich.
Was den starken Gesamteindruck der gelungenen Inszenierung noch verstärkt, ist die Bühne selber, gebaut von Markus Neeser. Während die neu aufgestellte Oper allen Anlass zum Staunen gibt, wird hier, im Neuen Theater, einmal richtig „gezaubert“ mit den technischen Möglichkeiten, die man hat, um Bedrückung und auswegloser Enge der Versteckten auch ein Bild zu geben. Ein überaus empfehlenswerter Abend. (mz)
Nächste Aufführungen am 19. und 30. Oktober, jeweils um 19.30 Uhr