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Technik-Denkmal Technik-Denkmal: Die schwarze Kraft von Peenemünde

Von Martina Rathke 24.04.2012, 13:07
Der Nachbau einer V2-Rakete steht auf dem Gelände der einstigen Heeresversuchsanstalt Peenemünde auf der Insel Usedom. (FOTO: DPA)
Der Nachbau einer V2-Rakete steht auf dem Gelände der einstigen Heeresversuchsanstalt Peenemünde auf der Insel Usedom. (FOTO: DPA) dpa-Zentralbild

Peenemünde/dpa. - Wer Anfang der 1930er Jahre als Badegast nachPeenemünde fuhr, liebte die Abgeschiedenheit und Naturbelassenheitdes Ortes. Fisch gab es bei ortsansässigen Fischern, auchEinkaufsmöglichkeiten für Butter und Brot seien vorhanden, allerdingsfehle es an Kultureinrichtungen, heißt es in einem Werbetext über dasSeebad Peenemünde aus dem Jahr 1932. Bereits wenige Jahre später istvon der Idylle des Ortes mit seinen reetgedeckten Fischerhäusern sogut wie nichts mehr übrig. Für eines der größten geheimenMilitärprojekte der Nationalsozialisten werden 70 Prozent der Häusergeschleift. Anfang 1936 beginnen die Planungen für den Bau derHeeresversuchsanstalt, in der bis 1945 unter größter Geheimhaltung anHitlers vermeintlicher Wunderwaffe V2 geforscht wird.

Noch heute dominiert das gigantische Kohle-Kraftwerk, für dasArbeiter ab 1939 knapp 2200 eisenbewehrte Betonpfähle in densumpfigen Boden rammten und mehr als zwei Millionen Ziegelsteineverbauten, den Inselnorden von Usedom. Der 90 Meter lange und 34Meter hohe Bau ist heute das größte technische Denkmal inMecklenburg-Vorpommern.

Am Freitag eröffnet im Museum Peenemünde eine Ausstellung über dieGeschichte des Kraftwerks, das mit seiner Leistung von 30 Megawatt zuden größten in Nazi-Deutschland gehörte. «Das Kraftwerk war dasenergetische Herz der Heeresversuchsanstalt, ohne das dieMilitäreinrichtungen für die V2-Erforschung undenkbar gewesen wären»,sagte der Ausstellungskurator Christian Mühldorfer-Vogt am Dienstagder dpa. Allein zwischen 20 und 25 Megawatt der erzeugten Leistunggingen an das Sauerstoffwerk, in dem mit großem technischen AufwandFlüssigsauerstoff als Treibstoff für die V2-Waffen produziert wurde.

Die Ausstellung «Das Kraftwerk - gebaut für die Ewigkeit?» seikeine reine Architekturausstellung, erläutert Mühldorfer-Vogt. Zielsei es gewesen, das Denkmal mit seinen vielen Originalobjekten alshistorische Quelle begreifbar zu machen. Erst vor wenigen Jahrenaufgetauchte Unterlagen des Bauleiters Josef Greiner belegen, wieHunderte Arbeiter zeitgleich und geprägt von militärischem Drill dasKraftwerk errichteten. Zwangsarbeiter seien beim Kraftwerksbau nachjetzigem Kenntnisstand nicht eingesetzt worden, sagte derChefkurator. Beleuchtet wird auch die Rolle des späterenBundespräsidenten Heinrich Lübke (1894-1972), der als Bauleiter derBaugruppe Schlempp in Peenemünde tätig war. Das in Berlin ansässigeBauingenieursbüro Schlempp zeichnete für die Planungen in Peenemündeverantwortlich.

Entgegen den Befehlen der Wehrmacht wurde die Energieanlage zuKriegsende nicht gesprengt. Als die Rote Armee am 4. Mai 1945 inPeenemünde einmarschierte, wurde das Kraftwerk dazu bestimmt, dasUni-Klinikum in Greifswald mit Strom zu versorgen. Dieser Teil derKraftwerksgeschichte war bisher nicht wissenschaftlich aufgearbeitet,wie Mühldorfer-Vogt berichtet. Wie in der Ausstellung dokumentierteUnterlagen des britischen Geheimdienstes Air Intelligence belegen,wurden bis 1947 rund 2000 Strafgefangene aus der Ukraine nachPeenemünde beordert, um eine Kraftwerksturbine, Kessel und Trafos alsReparation für die Sowjetunion zu demontieren.

In den frühen 50er Jahren ließ die DDR-Staatsführung dieKraftwerksleistung dann auf 42 Megawatt aufstocken - der Strom wurdeins ostdeutsche Verbundnetz eingespeist. Selbst gebauteSandstrahlwagen und Schutzanzüge aus den 60er Jahren belegen diedamals vorherrschende Mangelwirtschaft. Der Bau des KernkraftwerksLubmin besiegelte den Anfang vom Ende für Peenemünde. Allein dererste KKW-Block hatte mit 440 Megawatt eine zehnmal höhere Leistungals das Kraftwerk auf Usedom.

Die 200 000 Euro teure und aus Landesmitteln finanzierteAusstellung im Kraftwerk bietet verschiedene Vermittlungsebenen. Diemit Texten und Bildern dokumentierte Geschichte des Kraftwerks wirdin die globalen historischen Entwicklungen eingeordnet. AnMultimediastationen können Besucher sich bis zu einzelnenBauunterlagen durchklicken oder den Weg der Sanierung des Kraftwerksverfolgen. Jüngere Museumsbesucher finden über die Kinderstationeneinen Zugang.

Schautafel im Kraftwerk der einstigen Heeresversuchsanstalt Peenemünde. (FOTO: DPA)
Schautafel im Kraftwerk der einstigen Heeresversuchsanstalt Peenemünde. (FOTO: DPA)
dpa-Zentralbild
Einige Touristen stehen vor dem Kraftwerk der einstigen Heeresversuchsanstalt Peenemünde. (FOTO: DPA)
Einige Touristen stehen vor dem Kraftwerk der einstigen Heeresversuchsanstalt Peenemünde. (FOTO: DPA)
dpa-Zentralbild