"Tatort"-Kritik zu "Der Inder" "Tatort"-Kritik zu "Der Inder": Mehr Politthriller als Krimi
Der Fall
Der frühere Staatssekretär Jürgen Dillinger (Robert Schupp) wollte joggen gehen, da wurde er mit drei Schüssen gezielt getötet. Kurz vorher hatte er in einem Untersuchungsausschuss ausgesagt, der einen Bauskandal aufdecken soll, der im Zusammenhang mit dem Großprojekt Stuttgart 21 steht: Auf einem Gelände, das durch die Tieferlegung des Bahnhofs entsteht, plante der Architekt Busso von Mayer (Thomas Thieme) mit Hilfe eines indischen Investors ein ehrgeiziges Wohnprojekt. Doch der angeblich milliardenschwere Investor war ein Betrüger, von Mayer wurde verurteilt. In diese Vorgänge war auch der Ermordete involviert. Thorsten Lannert (Richy Müller) und Sebastian Bootz (Felix Klare) mussten klären, ob Dillinger korrupt und die Tat ein Racheakt war.
Die Auflösung
Das war ein „Tatort“, bei dem man jede Sekunde aufpassen musste, um nichts zu verpassen. Dass Architekt Busso von Mayer einiges zu verbergen hatte, war schon früh klar. Die Auflösung brachte es an den Tag: Er hatte sich an dem korrupten Dillinger rächen wollen und dafür die junge Mira (Gabriela Lindlova) benutzt. Am Ende stürzte sich von Mayer in den Tod.
Bester Auftritt
Thomas Thieme als gescheiterter Architekt, der alles verloren hatte, aber noch immer an seine Pläne glaubte, war Dreh- und Angelpunkt des Films. Und er durfte auch ein paar schöne Weisheiten verkünden. Zum Beispiel: „Was wäre Köln, wenn nicht mutige Bürger vor 800 Jahren die Vision gehabt hätten, einen Dom zu bauen? Ein hässliches Nest am Rhein“. Stuttgart kommt allerdings auch nicht gut weg, das bezeichnete Busso von Mayer als Drecksloch und städtebaulichen Irrtum.
Das Thema
Es gibt wohl nichts, das Stuttgart seit so vielen Jahren in Atem hält wie Stuttgart 21. Unterschiedliche Interessen, viel Geld, verhärtete Positionen. Der ideale Hintergrund für einen Krimi. Niki Stein hat das Buch zu „Der Inder“ geschrieben: „Wohl keine Stadt ist durch ein Bauvorhaben so durchgerüttelt worden in ihren gesellschaftlichen Grundfesten, aber auch in der Wahrnehmung durch das restliche Land“, sagt Stein, der auch Regie geführt hat. Die Zerrissenheit der Stadt fängt er in seinem Film gut ein. Und alle kommen vor: korrupte Politiker, genervte Bewohner, Umweltaktivisten, geldgierige Investoren, investigative Journalisten.
Fazit
Niki Stein hat weniger einen klassischen Krimi gedreht, als vielmehr einen Politthriller. Er präsentierte den Zuschauern ein großes Puzzle, dessen Teile sich erst langsam zusammenfügten. Besonders die Entscheidung, nicht chronologisch, sondern in zunächst nicht immer sofort zu erkennenden Zeitsprüngen zu erzählen, übertrug die Ratlosigkeit der Ermittler auf die Zuschauer.