1. MZ.de
  2. >
  3. Kultur
  4. >
  5. "Tatort"-Kritik: "Tatort"-Kritik: Ein glaubwürdiges Knast-Portrait

"Tatort"-Kritik "Tatort"-Kritik: Ein glaubwürdiges Knast-Portrait

Von Verena Köplin 10.06.2014, 05:19
In „Freigang“ ermittelt Stuttgarter Kommissar Thorsten Lannert verdeckt im Gefängnis.
In „Freigang“ ermittelt Stuttgarter Kommissar Thorsten Lannert verdeckt im Gefängnis. obs Lizenz

Darum ging’s 

Um den Mord an einer jungen Frau aufzuklären, schleust sich der Stuttgarter Kommissar Thorsten Lannert (Richy Müller) in die Justizvollzugsanstalt Zuffenhausen ein.  Denn dort sitzt der Ex-Mann des Opfers – und obwohl der auch zum Tatzeitpunkt sicher hinter verschlossener Tür hätte verweilen sollen, ist seine DNA an den Tatort gelangt. Das Stuttgarter Kommissaren-Team Lannert und Bootz (Felix Klare) vermutet, dass in dem vermeintlichen  Vorzeigegefängnis nicht alles mit rechten Dingen zugeht, zumal dieser Vorfall nicht der erste seiner Art ist. Und tatsächlich steckt Lannert in seiner Rolle als Mitarbeiter des Gefängnissicherheitsdienstes  schon bald mitten  in einem Geflecht aus Vertuschung, Machtmissbrauch und Korruption, in dem nur schwer zu erkennen ist, wer sich auf welcher Seite des Gesetzes befindet.

Wer war der Täter?

Ein besseres Gewächshaus für Kriminalität, Gewalt und Korruption als ein Gefängnis gibt es kaum – so die Aussage von „Freigang“. Wer kämpft gegen wen ist deshalb die entscheidendere Frage, denn einen einzelnen Täter gibt es in diesem Tatort nicht. Notwehrende, Mord-Beihelfer, Vertuscher, Verzweiflungstäter, Weg-Seher – sie alle kommen zum Zuge. Und auch wenn einer der Schlimmsten am Ende zur Strecke gebracht wird, mit einem hoffenden Unterton im Stil von „Vielleicht wird jetzt ja alles besser“ endet dieser Tatort nicht.    

Beste Schauspielerische Leistung

An Glaubwürdigkeit hat es vor allem den Gastschauspielern, die bei „Freigang“ mitwirkten, nicht gefehlt. Tambet Tuisk in der Rolle des Holger Drake, der auch aus dem Gefängnis ganz gerne mal den ein oder anderen Mord verübt, machte ebenso einen guten Job wie Herbert Knaup als aalglatter Sicherheitschef Andreas Franke. Außerdem sei Valerie Koch zu nennen, die mit Leichtigkeit als Witwe auf dem schmalen Grat zwischen Verzweiflung und Resignation durch die verschiedenen Gemütszustände schwebt und dabei stets authentisch rüberkommt.

Das Team Bootz und Lannert hingegen harmonierte zwar im Zusammenspiel als sympathisches Ermittler-Duo ganz gut, hat jedoch in Sachen Glaubhaftigkeit schon bessere Tage erlebt. So gab es immer wieder Textpassagen, die einfach nicht natürlich rüberkommen wollten – was jedoch durchaus auch an den Passagen selbst gelegen haben mag. Schade!

Schlimmster Satz

„Nenn den doch nicht immer King. Du machst mir echt das Bild von Elvis kaputt!“ Auch so eine Passage, die nur in natürlich, nicht aber in gestellt funktioniert.

Das hätte man sich sparen können

Bootz‘ Scheidung steht bevor, und auch wenn man fast lobend erwähnen muss, dass das Familienleben des Ermittlers in dieser Folge im Vergleich zu vorherigen kürzer tritt (vielleicht auch, weil er selbst merklich kürzer tritt?), konnten sich die Autoren die Anspielungen auf seinen Unmut über die verkorkste Familiensituation nicht verkneifen. Da sie sich immer auf dem gleichen Niveau bewegen, ohne in die Tiefe zu gehen, nerven sie jedoch umso mehr.

Und, auch wenn es spannend sein kann, mit zu fiebern, wenn sich ein Fernsehermittler so dilettantisch verhält, dass man sich fragen muss, wie lange das gut geht: Warum müssen es denn gleich solche Schnitzer sein wie ermittlungsrelevante Telefonate auf Balkonen von Mehrfamilienhäusern? Oder Gespräche mit verdeckt kooperierenden Zeugen in glasumfassten Tankstellen-Bistros? 

Fazit

Trotz einigen Ungereimtheiten in der Plausibilität, trotz einigen Dialogen, die so aufgesetzt wie überflüssig wirken – „Freigang“ ist ein guter Tatort, der fesselt und einen würdigen Abschied in die Sommerpause gibt.