Tarzan im Puppentheater Tarzan im Puppentheater: Grebe Marik Bauer und Kratochwil folgen Lockruf alter Zeiten

halle/MZ - „Tarzan“ auf der halleschen Kulturinsel - das passt neuerdings besser, als einem lieb sein kann. „Ich Tarzan, Du Jane“, sonst nur Urwald und nix von Zivilisation. Außer dem Teil, den jeder britische Adlige von Natur aus in sich hat. Nach Ansicht der britischen Adligen. Damals.
Noch steht der berühmte, etwa 100 Jahre alte Inselheld von Edgar Rice Burroughs, der über viele Generationen so populär geblieben ist wie sonst nur Robinson, auch in Halle nicht für den Zustand nach dem Kürzungs-Tsunami, sondern für das Spiel mit diesem Romanzen-Erbstück aus spätkolonialen Zeiten, in denen man noch keine Vokabeln fürs politisch Korrekte hatte.
Dieser „Tarzan“, mit dem das Puppentheater seine 60. Spielzeit eröffnet, kommt zwar (von ein paar furchterregenden, aber klitzekleinen Affen, einem Mini-Tarzan und einer kleinen Jane abgesehen) ohne Puppen aus, bietet dafür aber eine sympathische Genre-Kreation: das Remake einer Uraufführung. Diese hatte Claudia Bauer und ihr wunderbares Quartett schon einmal zusammengeführt. Das Ganze nach 13 Jahren zu wiederholen ist aber nicht etwa das Setzen auf eine sichere Bank, weil es halt gut zum Spielzeitmotto „Doppelgänger“ passt. Es ist auch mehr als eine nostalgische Referenz von Regisseurin Claudia Bauer, Rainald Grebe, René Marik, Frank Benz und Tilla Kratochwil an die guten, alten Anfängerzeiten in Halle.
Exzellente Idee
Natürlich ist es von alle dem ein bisschen. Vor allem aber ist es eine exzellente Idee! Deren Umsetzung den Wiederholungstätern auf der Bühne genau solchen Spaß macht wie den Zuschauern im selbstverständlich ausverkauften Saal. Den Grebe mittendrin auch einmal regelrecht stürmt. Mit Verweis auf die entsprechende Anordnung der Regie, versteht sich.
Eigentlich ist das Ganze ein Abendessen, zu dem sich alte Freunde treffen, die einander lange nicht gesehen haben. Angela Baumgart hat die Bühne so sparsam wie anheimelnd möbliert. Mit einem von Rainald Grebe (ohne funktionierendem cis) traktierten Klavier, einer gedeckten Tafel hinten links und einer Kochgelegenheit hinten rechts, sowie beweglichen Stehpulten mit den Textbüchern. Anfangs plaudert man so vor sich hin. Vom „wisst Ihr noch?“, über „mein Seegrundstück“ und „mein Hubschrauber“ bis zu „meine Krampfadern“ und „mein Blutdruck“. Worüber man ab einem bestimmten Alter halt so redet.
Das geht locker vom Hocker, vor allem bei den begnadeten Alleinunterhalter-Talenten Grebe und Marik sprudelt es nur so. Einer kocht bei diesem Themen Promi-Dinner - irgendwie passend halbnackt, in Tütü und mit Affenmaske. Die anderen haben sich aufgebrezelt. Serviert werden zuerst frisch geröstete äthiopische Heuschrecken, dann Straußen-Steaks. Nicht aus Afrika, sondern aus Peißen, was ja gleich um die Ecke liegt.
Dabei unterhalten sie sich zunächst auch über das „rassistische“ Stück, das man heute so eigentlich gar nicht mehr bringen könnte. Wegen der politischen Korrektheit gegenüber Afrikanern. Jedes Mal, wenn einer „Neger“ oder so was sagt, gibt’s einen Gong. Aber auch wegen den Frauenbildes - Tilla kriegt einen Wutausbruch, als ihr das Frauenbild des Stückes bewusst wird und jagt den (Schon-immer)-Macho René von der Bühne. Zwischendrin aber spielen sie von ihren Stehpulten aus die Geschichte. Dabei sind sie wunderbar komödiantisch, überdreht, selbstironisch und anrührend.
Grebe läuft als Chef der Affen mit aufgerissen Augen oder Zack-Zack-Kommentator und Pianosänger zur Hochform auf. Kratochwil wirft sich in die schmachtende Jane-Pose, dass es eine Freude ist.
Hintersinniger Coup
Benz macht sich mit Hingabe zum Kochshow-Affen und der etwas schmalbrüstige Marik räumt mit seiner Haartolle und Selbstironie den Weg frei, um alle Bilder vom frühen Sexsymbol Tarzan abzurufen, die es von Johnny Weissmüller über alle seine Nachfolger in Film, Comic und Musical so gibt.
Das Puppentheater beginnt seine Jubiläumsspielzeit zwar fast ohne Puppen, aber mit einem hintersinnigen Coup, der Spaß macht. Für die Fans ist das nichts Neues. Der Kampf um die knappen Karten hat sich gelohnt. Wie immer.