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Tanz Tanz: Pfeifkonzert der Begeisterung für «Der Sandmann»

Von Ulf Mauder 09.04.2006, 17:31
Alexander Zaitsev (l.) tanzt den Nathanael und Maria Eichwald (r.) die Rolle der Olimpia im Handlungsballett «Der Sandmann». (Foto: dpa)
Alexander Zaitsev (l.) tanzt den Nathanael und Maria Eichwald (r.) die Rolle der Olimpia im Handlungsballett «Der Sandmann». (Foto: dpa) dpa

Stuttgart/dpa. - Jubel gab esauch für die Solisten, allen voran Alexander Zaitsev in derHauptrolle des Studenten Nathanael, der dem Wahnsinn verfällt.

Spuck bietet alles, was Ballett haben muss. Er meistert personellstark besetzte Sequenzen zu großen Orchesterpassagen so stilsicherwie auch Soli zum Klavier. Für die immer wieder wechselnde Stimmungin der Musik, die mal Filmmusik, mal sinfonisch, mal Techno ist,platziert er Musiker auch auf der Bühne. Eigens für den Abend hat dasBallett eine elektronische Einspielung von Martin Donner komponierenlassen. Doch stammt das Gros der Noten von Alfred Schnittke undRobert Schumann, stimmig verschmolzen von James Tuggle und demStaatsorchester Stuttgart.

Spuck bleibt dicht an der literarischen Vorlage um den StudentenNathanael, der an den bösen Sandmann glaubt. Dabei ist dieInszenierung vor meist kargen Wänden und mit den Tänzern in Anzügenund den Frauen in langen Kleidern (Kostüme: Emma Ryott) insgesamtnicht so blutrünstig wie das Buch von 1816. Das Licht (ReinhardTraub) passt sich den hellen und dunklen Momenten, den Rückblendenund Träumen in Hoffmanns Nachtstück an.

Nathanael steht hier unter dem Eindruck von Horrorgeschichten umden Sandmann aus seiner Kinderheit. Der streut den Kindern Sand indie Augen, die sie sich blutig reiben, oder schält ihnen die Augäpfelganz aus dem Kopf. Immer wieder sieht er den bösen Sandmann in realenFiguren, in dem Advokaten Coppola (Jason Reilly), dem BrillenhändlerCoppelius (Nikolay Godunov) und Professor Spalanzani (DamianoPettenella).

Auf einem Ball entdeckt Nathanael die vermeintliche TochterSpalanzanis, Olimpia, die sich als Automat entpuppt. Maria Eichwaldwar in einem roten Tutu nicht nur der einzige Farbtupfer des sonst inmatten blauen, grauen und braun gehalten Tönen des Abends, für ihrerestlos überzeugende Darbietung der auf Spitzen getanzten hölzernenPuppe erhielt sie auch spontanen Applaus.

Das mal synchrone, mal aufbrechende Corps de Ballett tanzte mittemporeicher Frische und oft weit ausladenen Schritten die mehr oderminder homogene Studentenschaft. Markant dabei immer wieder Spuckstypische Arbeit mit den Armen, die ihren ganz eigenen Tanz haben. Malformen sie Ellipsen und Bögen, mal Winkel und spitze Pfeile. Zaitsevmeistert seine zahllosen Sprünge mit gehockten oder weit auseinandergespreizten Spagat hoch über dem Podium.

Auch die anderen Solisten Reilly, Godunov und Professor SpalanzaniPettenella stehen ihm in nichts nach. Clara, Nathanaels wahreFreundin, ist mit der ausgeglichenen Katja Wünsche bestens besetzt.Mit diesem zweiten Handlungsballett in Stuttgart knüpft Spuck anseinen Erfolg mit «Lulu. Eine Monstertragödie» von 2003 an.