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Tangermünde Tangermünde: Große Oper für Grete

Von MARGIT BOECKH 27.08.2009, 20:22

HALLE/MZ. - Denn die Geschichte dieser Grete ist ja vonsich aus schon ganz große Oper. Eine Patriziertochter,die um ihr Erbe gebracht wird, mit einem kriminellenLandsknecht ein elendes Dasein fristet, ausRache die Stadt anzündet und schließlich selbstauf dem Scheiterhaufen endet. Mehr Drama gehtnicht.

Kein Wunder, dass dieser Stoff schon eineReihe von Dichtern zu eigenen Werken beflügelte.Allen voran der alte Fontane. Seine Novelle"Grete Minde" katapultierte das reizvolleStädtchen glatt in die Weltliteratur. Wobeiinzwischen als historisch erwiesen gilt, dassdas unter Folter erpresste Geständnis dervermeintlichen Brandstifterin falsch und diearme Grete Opfer eines der berühmtesten Justizmordeder Geschichte wurde.

Historische Tatsache bleibt die Brandkatastrophevom 13. September 1617, bei der so gut wiedie ganze Stadt in Schutt und Trümmern versank.Wer durch die Straßen und Gassen schlendert,sieht das heute noch an schön geschnitztenTüren oder Balken, die das Baujahr der Häuserausweisen, meist 1618 oder 1619. Ganze Straßenzügesind nach dem großen Brand buchstäblich wiePhönix aus der Asche wiedererstanden. DieHansestadt hatte seit dem 15. Jahrhunderteine besondere wirtschaftliche Blütezeit erlebtund so sparten die durch Gewerbe, Brauereiund Elbzoll reich gewordenen Bürger beim Neubauihrer Häuser nicht an prächtigen Fassadenund Türeinfassungen. Sorgfältig restauriert,erstrahlen nun ganze Straßenzüge in neuemGlanz.

Vom 50 Meter hohen Kapitelturm auf dem Burgberghat man einen Superpanoramablick bis weitin die Elbauen und über die Stadt. Alles dafür Romantik auf Altdeutsch: Backsteingotikund Fachwerkkunst unter roten Giebeldächern,Kirchturmspitzen ragen aus dem Häusergewirr,durch das sich schmale Gassen winden, dasGanze umschlossen von einer fast lückenloserhaltenen Stadtmauer. Auf den prächtigenStadttoren haben es sich Störche gemütlichgemacht. Kein Wunder, dass diese Locationschon so manchen Filmregisseur ins Schwärmengebracht hat.

Steigt man die Turmstufen wieder hinunterins Burgareal, trifft man an der Elbuferpromenadeauf jenen hochwohlgeborenen Promi, der mitsicherem Gespür für malerische Orte geradediesen zu seiner Lieblingsresidenz neben Pragmachte: Kaiser Karl IV. ist es, der von hohemDenkmalsockel, umduftet von Lavendelbüschen,wohlwollend über "seine" Elbe schaut und dabeidie rechte Hand fest auf dem Geldsäckel ruhenlässt. "Er war der Reiche unter den Kaisern",lächelt Stadtführerin Regine Schönberg underklärt, wie der machtbewusste Herrscher 1373die Mark Brandenburg erwarb und sie mit seinemböhmischen Königreich vereinte.

Wobei er sich in Tangermünde und spezielldie alte Askanierburg dort so verliebte, dasser sie nach dem Vorbild des Hradschin umgestaltenließ und bis zu seinem Tode 1378 immer wiederaufsuchte. Nur das so genannte Tanzhaus desKaisers ist heute noch davon erhalten, nachdemdie Burg im Dreißigjährigen Krieg zerstörtwurde. Mit hörbarem Bürgerstolz und Charmeführt die Frau Schönberg Gäste durch ihreStadt. Uns zeigt sie den Weg entlang der Elbuferpromenade,denn "das ist einfach der Schönste". Ein Wegder Kontraste zumal.

Auf der Wasserseite ankern im hochmodernenYachthafen flotte Schiffe, rechterhand erhebtsich trutzig die ehrwürdige Stadtmauer. "UnserMauerbau begann schon im 13. Jahrhundert",scherzt denn auch die kundige Stadtführerin,die noch so manchen Extra-Tipp parat hat.Das Kuhschwanzbier etwa müsse man unbedingtprobieren.

Das soll es schon vor rund tausend Jahrengegeben haben. Und neuerdings wieder, seitein findiger Gastronom die alte Traditiondes streng öko-mäßig gebrauten süffigen Getränkswiederbelebt hat. Überhaupt locken im Städtchenjede Menge Kneipen, Cafés und originelle Gaststättenwie die "Zecherei St. Nikolai" in der gleichnamigenKirche, die allerdings schon seit Ende des16. Jahrhunderts für profane Zwecke genutztwird. Die liegt gleich hinter dem berühmtenRathaus mit den wie Spitzengeflecht wirkendenBacksteinrosetten des hoch aufragenden Schaugiebels.

In dessen Schatten treffen wir schließlichwieder auf Grete Minde. Pünktlich zum Tausendjährigenhaben die Tangermünder ihrer Stadtheiligenein Denkmal gesetzt. Lebensgroß steht sieda, in Ketten gefesselt, mit Augen, die mehrfragen als klagen. Ohne Zweifel eine Gestaltwie gemacht für Romane und die ganz großeOper.