Tagesschau 1995 Tagesschau 1995: Seehofer wollte vor 20 Jahren Unterstützung für Flüchtlinge verringern

Berlin - Wenn man die Augen schließt und nur zuhört, würde es kaum auffallen. Vielleicht wäre der „Gong“ etwas verwirrend, also dieser Paukenschlag, der damals noch die Tagesschau in der ARD einläutete. Doch was dann folgt, fühlt sich an wie ein Déjà-vu. Denn die Themen, die dort von den Sprecherinnen in übergroßen 90er-Jahre-Jackets mit Schulterpolster und Föhnfrisur angesagt werden, könnten Nachrichten sein, die aus den vergangenen Monaten stammen. Doch die Meldungen sind 20 Jahre alt, offensichtlich hat sich an den Themen wenig geändert.
Am 27. Juli 1995 spricht Dagmar Berghoff – die erste Frau, die jemals die Tagesschau moderierte – in die Kamera: „Für Asylbewerber und Bürgerkriegsflüchtlinge sollen die Sozialhilfeleistungen gekürzt werden. Bundesgesundheitsminister Seehofer will ihre Unterstützung um ein Fünftel verringern oder auf Sachleistungen umstellen. Ersparnis: Rund 1,3 Milliarden Mark.“
Seehofer wollte 1995 die Zuwanderung begrenzen
Im Hintergrund ein Bild vom deutlich jüngeren Horst Seehofer. Schon damals hatte der heutige CSU-Chef zur Zuwanderung eine klare Haltung. Heute setzt sich Seehofer beispielsweise für eine Obergrenze für Flüchtlinge, also eine Begrenzung der Zuwanderung ein. Es scheint nicht so, als lägen zwischen dieser Ansicht und der Tagesschau-Meldung von 1995 zwei Jahrzehnte.
Am 15. November 1995 titelt die Tagesschau dann: „50 Million Flüchtlinge“, bebildert wird die Zeile mit einem Foto von wandernden Menschen. Die Sprecherin – mit mausgrauem Sakko und rotem Rollkragenpullover – dazu: „Fast 50 Millionen Menschen sind weltweit auf der Flucht, mehr als je zuvor. Das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen nennt als Grund, dass immer mehr Menschen innerhalb des eigenen Landes vertrieben würden. Beispiele seien Ruanda und das frühere Jugoslawien. Jeder zweite Flüchtling sei ein Kind. Die zuständige UN-Hochkommissarin Ogata forderte die Weltgemeinschaft auf, vorbeugend in schwelende Konflikte einzugreifen, um Vertreibung zu verhindern.“
Auch hier: Die Debatte ist aktueller denn je. Heute diskutiert man angesichts der Geiselnahme in Mali über einen Bundeswehreinsatz oder ob Deutschland sich militärisch in Syrien beteiligen soll. Nur die Zahl der Flüchtlinge weltweit scheint sich etwas erhöht zu haben – laut Uno-Flüchtlingshilfswerk waren 2014 rund 60 Millionen Menschen auf der Flucht.
Einzig die optische Aufmachung der Tagesschau ist heute anders
Rund eine Woche später, am 21. November 1995, geht es in der Tagesschau um Verhandlungen zum Asylrecht. Die Moderatorin liest: „Vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe hat heute die mündliche Verhandlung über das neue Asylrecht begonnen. Es geht um die Beschwerden von fünf Asylbewerbern gegen ihre Ablehnung. Sie machen einen Verstoß gegen die Menschenrechte geltend. Umstritten sind insbesondere die Einschränkungen des Asylrechts wie zum Beispiel durch die sogenannte Drittstaatenregelung. Bundesinnenminister Kanther verteidigte die neuen Regelungen. Sie seien notwendig gewesen, um den inneren Frieden in Deutschland zu wahren.“
Auch dieses Thema könnte von gestern sein, geht es doch seit Monaten um eine Verschärfung des Asylrechts, um Kontingente, subsidiären Schutz. Einzig und allein die optische Aufmachung der Tagesschau von damals lässt an der Aktualität der Beiträge zweifeln.