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Tag des offenen Denkmals Tag des offenen Denkmals: Was passiert mit Fliegerhorst in Köthen?

Von günter kowa 05.09.2013, 09:46
Auch der ehemalige Fliegerhorst in Köthen, hier der Appellplatz, ist ein „unbequemes Denkmal“.
Auch der ehemalige Fliegerhorst in Köthen, hier der Appellplatz, ist ein „unbequemes Denkmal“. heiko rebsch Lizenz

halle/MZ - Fast 20 Jahre lang engagieren sich nun schon ungezählte Ehrenamtliche in ganz Deutschland, und mittlerweile überall in Europa, am „Tag des offenen Denkmals“ für historische Bauwerke und öffnen sie für Jung und Alt. Wie kaum eine andere Initiative seit dem „Europäischen Denkmalschutzjahr“ 1975 trägt der Tag dazu bei, das Bewusstsein für gebautes Kulturerbe wach zu halten. Seit einem Jahrzehnt bemüht sich die Deutsche Stiftung Denkmalschutz, dieses Interesse auch thematisch zu fokussieren.

„Jenseits des Guten und Schönen: Unbequeme Denkmale“ lautet das Motto diesmal. Der Gegensatz von „gut und schön“ zu „unbequem“ ist nicht auf Anhieb richtig zu verstehen. Denn auch „gutes und schönes“ Kulturerbe ist nicht vor interessegeleiteter Bedrohung oder interesseloser Verwahrlosung geschützt.

Das gern „stein-reich“ genannte Sachsen-Anhalt bietet Beispiele genug von einschneidenden Verlusten für Stadt- und Landesgeschichte: die Bitterfelder Rathenau-Villa, die hallesche „Provinzial-Irrenanstalt“, die Saale-Brücke von Nelben, die Kahlschläge in der Weißenfelser Altstadt, die Abrisse von Eckhäusern in Naumburg und von Junkers-Industriebauten in Dessau, um einige zu nennen.

Wo aber Gefahr ist, um Hölderlin zu zitieren, wächst das Rettende auch, und gerade bei Denkmalen ist es der erwachende Bürgergeist, der aussichtslosen Fällen eine Zukunft aufzeigt. In Halle ist es der schon Institution gewordene Arbeitskreis Innenstadt, der ein Renaissance-Bürgerhaus nun durch Kauf vor dem Abrissantrag bewahren will, oder es ist eine neu gegründete Initiative, die sich zutraut, dem antikisierenden Stadtbad die Schließung zu ersparen.

Politisch negativ besetzt

Und es gibt auch noch Schlossherren aus Leidenschaft und mit unorthodoxen Ideen: In Schloss Walbeck bei Hettstedt versucht ein Fachmann aus der Solarbranche mittels Stromerzeugung auf Photovoltaik-Dächern die Kosten langfristig einzuspielen – ein ästhetisch desaströser Ansatz, aber immerhin die Wende für eine schon fast aufgegebene Anlage.

Doch all das ist nicht gemeint mit „unbequemen Denkmalen“. Es geht vielmehr um politisch negativ besetzte Bauten, von denen auch Sachsen-Anhalt viele kennt: Zeugnisse des Nationalsozialismus und seiner Zeit, historisch beargwöhnt und ästhetisch verpönt, und in jedem Fall eine Herausforderung für den Nutzer, so sich einer findet. Beispielhaft vorangegangen ist schon vor einigen Jahren immerhin die Landesverwaltung, die in Magdeburg die 1937 errichteten „Tessenow“-Kasernen für das Finanzamt umwidmete. Mustergültig saniert und unerschrocken genutzt – in der „Fahnenweihhalle“ kam das Landesarchiv unter – präsentiert sich die Anlage, die einem steinernen Pathos von halb expressionistischem, halb nationalistischem Geist huldigt.

Nicht ohne Spannung allerdings, schließlich ist Tessenow auf der einen Seite der Repräsentant eines bodenständigen Heimatstils, auf der anderen ein Vorreiter der sozialen Ideale der Gartenstadt-Bewegung, der an der Gartenstadt Hellerau mitwirkte. Auch Ernst Sagebiel ist nicht der rein auf Kulissenbauten der Macht zu reduzierende Architekt der NS-Zeit, von dem in Halle die Heeresnachrichtenschule von 1934-1937 stammt, die die Universität originalgetreu restauriert, aber mit symmetriebrechend eingepflanzten Neubauten auch konterkariert hat.

Auch im Fall des Agfa/Orwo-Verwaltungsbaus in Wolfen, einer Architektur von monumental auftrumpfendem Klassizismus wiederum der 30er-Jahre, konnte nach langem Leerstand eine Nutzung gefunden werden: Die Stadtverwaltung der neu gegründeten Doppelstadt Bitterfeld-Wolfen begegnet dem Pathos mit nüchterner Alltagsatmosphäre. In Dessau wiederum ging dem Landestheater – zumindest bis jetzt – die Funktion nie verloren, nur der Anspruch wurde ein anderer in dem gigantischsten Theaterneubau der NS-Zeit.

In Vergessenheit verdämmernd

Doch es bleiben Bauten dieser Epoche im Land, die in Geschichtsvergessenheit verdämmern. Die Ruinen der womöglich ersten NS-„Thingstätte“ hat in Halle am Rand der Dölauer Heide der Wald verschluckt, in Saaleck verkommt das Wohnhaus von Paul Schultze-Naumburg, Heimatschützer und NS-Vordenker.

Vor Köthen verfallen auf freiem Feld die Bauten des 1936 errichteten Fliegerhorsts, der unter Görings Hoheit zu einer Luftwaffenschule und Versuchseinheit für Radargeräte ausgebaut wurde. Die radial ausgreifende Anlage mit Tower, Hangars, Unterkünften, Speisesälen wurde erstaunlicherweise nie bombardiert und wäre bis heute unangetastet, verfiele sie nicht bis auf wenige Teile. Ihre Zukunft ist ungewiss.

Das gilt seit langem auch für die einstige „Napola“ auf dem Großen Ziegenberg in Ballenstedt: die „Nationalpolitische Erziehungsanstalt“ anfangs des Landes Anhalt, ab 1941 des Reichs, die 1934 begonnen, bei Kriegsende immer noch nicht ganz fertig war. Ihr zweites Leben als Bezirksparteischule der SED macht sie zu einem ungemein vielschichtigen Ort.

Da die Anlage seit der Wende bis auf die Turnhalle leer steht, droht ihr der schleichende Untergang, doch dem will ein Verein unter dem Vorsitz des Ballenstedter Stadtrats und Gymnasiallehrers Karl-Heinz Meyer entgegenwirken. So wird das Gelände am Sonntag für Führungen (um 10 und 14 Uhr) offen stehen, aber die nie erzählte Geschichte der Stätte der Indoktrinierung will der Verein am Jahresende erstmals in einer Ausstellung darstellen, 80 Jahre nach dem Bau dieses wahrlich unbequemen Denkmals. Weitere Informationen unter:www.mz-web.de/denkmaltag