T. Lux Feininger T. Lux Feininger: Herzen im Sturm
QUEDLINBURG/MZ. - "Ich war neunzehn und die Lebenssäfte wallten", schreibt T. Lux Feininger über das Jahr 1929. Das erlebte der jüngste von drei Söhnen des deutsch-amerikanischen Malerstars Lyonel Feininger in Dessau. Dort studierte T. Lux, der eigentlich Theodor Luke heißt, seit 1926 am Bauhaus in der Bühnenklasse von Oskar Schlemmer. Das war kein tagfüllender Job. Schon gar kein nachtfüllender.
Nebenbei hielt T. Lux das Volk als Musiker der Bauhaus-Jazzkapelle bei Laune. "Es machte mir nichts aus, die Nacht durchzuspielen." Von einem dieser Ausflüge, teilt T. Lux in seiner 2006 veröffentlichten Autobiografie "Zwei Welten" mit, kehrte er 1929 "sehr verändert" zurück - nämlich grundstürzend verliebt in eine Kommilitonin aus der Weberei-Werkstatt. "Ein Jahr lang beherrschte L. H.s Anblick mein Leben in unverminderter Stärke." Aber die Neigungen Feiningers wurden nicht erwidert. "Als bewährtes Heilmittel" gegen den Liebeskummer verschrieb sich T. Lux das Reisen. Und das Malen.
Feiningers Autobiografie zeigt die Weberin auf einem Foto von 1930: L. H. mit halblangem, seitlich gescheiteltem Haar, die sich auf die Brüstung der Aussichtsplattform des Bauhauses lehnt. Nun ist L. H. in Farbe zu sehen, gemalt 1930. Ihr Haar flattert nicht über Dessau, sondern über der See. Auf der gleitet ein Zweimaster dahin. Aber schon ist der Himmel in Hell und Dunkel geteilt. Die Bauhaus-Windsbraut zieht den Sturm an.
Das Gemälde ist ein Schaustück von rund 60 Ölbildern, Zeichnungen und Fotografien, die von Sonntag an in der Quedlinburger Feininger Galerie zu sehen sind. Eine Ausstellung aus Anlass des 100. Geburtstages von T. Lux Feininger, den der uralte Maler im Juni vor einem Jahr zuhaus im amerikanischen Ostküstenort Cambridge, Massachusetts, feierte. Die hauptsächlich von privaten Sammlern bestückte Schau war bereits in Kiel und Paderborn zu sehen. Und auch wenn T. Lux-Feininger-Ausstellungen zuletzt 1998 und 2005 in Halle zu sehen waren: Diese Ausstellung ist die Reise wert.
Unter dem Titel "Welten-Segler" wird T. Lux Feiningers maritimes Malwerk von 1929 bis 1942 gezeigt: dem Jahr seines malerischen Debüts bis hin zu seiner Einberufung in die US-Armee, denn 1936 war T. Lux als Vorbote seiner Familie von Deutschland weg nach Amerika übergesiedelt. Sein erstes Gemälde ist in Quedlinburg zu sehen: "Angler", eine humorig abstrahierte Seeszene von 1929. Und die "Piraten": ein Schiff unter Totenkopfflagge, das 1930 fast ein Ankaufserfolg in Berlin geworden wäre. Mit bauchigen Segeln und halbstarken Seemännern variieren über die Jahre hin die Szenerien, die im Mal-Duktus gern auch altmeisterlich und bedeutungsschwer werden.
Im Magischen Realismus ist Feininger richtig verortet. Ein Surrealist, sagt er von sich selbst, sei er nie gewesen. In der Tat: Was er zeigt, ist unverschlüsselte Außen- oder Innenwelt. Ein psychologischer Realist ist dieser Innenweltenbummler: "Es waren Seelenzustände, die ich malte, nicht Marinebilder", sagt Feininger. Großformatig ist dieses Zitat in Quedlinburg zu lesen. In einer Schau, die zudem eine hochinteressante T. Lux-Zugabe bietet: rund 20 Zeichnungen, Drucke und drei in Dessau gefertigte Fotografien, die bislang als verschollen galten und nun aus privater Hand erstmals in Quedlinburg gezeigt werden. Darunter eine farbige Zeichnung des abstrahierten Bauhaus-Gebäudes in Dessau.
Mit der "Welten-Segler"-Schau beginnt die zur Stiftung Moritzburg in Halle gehörende Feininger-Galerie ihre Saison 2011. Drei Monate hatte man schließen müssen, weil Brandschutzvorrichtungen erneuert oder überhaupt erst eingerichtet werden mussten; eine Maßnahme, die noch einmal eine Schließung im Spätherbst erfordern wird. Und noch 2011 soll mit der Errichtung des Hauses begonnen werden, das die Galerie mit dem Fachwerk-Frontbau am Schlossberg 11 verbindet; der wird noch bis 2013 grundhaft saniert und restauriert.
Von dem Plan, drei Stipendiatenwohnungen und -ateliers einzurichten, habe man sich verabschiedet, sagt Galeriedirektor Björn Egging. Aus Gründen der Wirtschaftlichkeit. Aber auch deshalb, weil die Kunststiftung des Landes an ihrem künftigen Sitz am Neuwerk in Halle eine Stipendiatenwohnung plant. Doch kein Grund zur Klage. Die Quedlinburger benötigen den solcherart gewonnenen Raum dringend für museumspädagogische und wissenschaftliche Angebote. Aufmerksamkeit ist ihnen ohnehin garantiert, wenn im September Jonathan Meese zu seiner Ausstellung "Die totalste Grafik" lädt.
Eröffnung: Sonntag, 11.30 Uhr. Ausstellung bis 28. August: Di-So 10-18 Uhr. Katalog: 151 Seiten, 19,80 Euro