Subway to Sally Subway to Sally: Tanz die Drehleier
Halle/MZ. - Diese uralten Geschichten mag er sich heute auch nicht mehr unbedingt anhören. Die ersten Aufnahmen mit sich als Sänger? Ein Graus! Aber an die Tage damals, als aus Eric Hecht, aufgewachsen in Halle-Seeben, der Rockstar Eric Fish wurde, an die denkt der 40-Jährige auch fast zwei Jahrzehnte später gern zurück. "Wir saßen wirklich da, haben alle die Hände ineinander gelegt und uns versprochen, dass wir das jetzt zusammen durchziehen."
Und genau das haben sie dann auch getan, die sechs Männer und die eine Frau, die als Subway To Sally mit Musik weit abseits gängiger Pop-Klischees erfolgreich sind. Der Geist jener Gründerzeit, er herrscht bis heute beim Folkrock-Orchester, in dem neben Eric Hecht die Gitarristen Michael "Bodenski" Boden, Simon Levko und Ingo Hampf, die Geigerin Silke Volland, Bassist Silvio Runge und Schlagzeuger Simon Michael Schmitt spielen. Nach zehn Studioalben hat es die Band, die auf ihrem Debüt noch so unschlüssig klang, bis ganz nach oben geschafft: Neue Alben landen regelmäßig in den Top Ten, Tourneen sind ausverkauft. Mit dem Stück "Auf Kiel" gelang vor zwei Jahren sogar der Sieg bei Stefan Raabs Song Contest.
"Es passt einfach alles", beschreibt Eric Fish, der bis zur vierten Klasse in Halle lebte und heute als einziger Ex-Hallenser in der ersten Rockliga mitspielt. Schon nach den ersten Proben damals, Anfang der 90er Jahre, habe er das Gefühl gehabt, plötzlich Teil von etwas Großem zu sein.
Am Tag nach dem Abschluss seines Maschinenbaustudiums hatte Eric Fish ein Gewerbe als freischaffender Musiker angemeldet. Ohne nachzudenken, wie er heute beschreibt. "Für mich war klar, dass Musik das ist, was ich machen will." Aber natürlich wartete die Welt nicht auf einen Liedermacher mehr, auch wenn der Dudelsäcke nicht nur spielen, sondern auch bauen kann. Zwei Jahre schlägt sich Eric Fish als Straßenmusiker durch, er lebt von der Hand in den Mund und die Hitparaden sind ferner als der Mond. Erst als Michael Boden Verstärkung für seine neue Band Subway To Sally sucht, wendet sich das Blatt. "Das hat sofort funktioniert", erinnert sich Fish, der als Dudelsackspieler verpflichtet wird, aber bald ans Mikro wechselt. Sieben Mann, ein Traum: "Wir haben nie Ziele formuliert", sagt er, "wir sind einfach losmarschiert."
Und das auf einem ganz eigenen Weg, fern der üblichen Pfade zum Erfolg. Statt E-Gitarren spielen Subway To Sally das E-Trumscheit, statt Keyboards erklingen Drehleier und Blaswandler. Auch seine Inhalte sucht sich das Septett nicht im Internet, sondern in einer Märchenwelt aus Mittelalter und Mad-Max-Kulissen.
Die Bandmitglieder tragen strenge Kostüme, das Bühnenbild ist voll rätselhafter Symbole, die Studioalben leben von Querverweisen auf Dichter, religiöse Riten und Fabelwesen. Die Mischung ist unverwechselbar, obwohl längst andere Gruppen versuchen, Metal-Rock und Mittelalter auf eine ähnliche Weise zu verbinden. Fish weiß, wie schnell die Luft hier oben dünn wird. Tobias Unterberg und Jan Klemm, mit denen er kurz vor dem Ende der DDR die Band Catriona gegründet hatte, hatten wenig später das Glück, mit den Inchtabokatables sehr schnell sehr berühmt zu werden. Zu schnell: Die Kapelle brach auseinander.
Rockstar-Leben? Er schüttelt den Kopf. Rockstar sein ist auch Arbeit, eine Band haben, heißt planen, Strategien ausdenken, Aufgaben verteilen. "Wir sind zum Glück sieben Leute mit unterschiedlichen Talenten", sagt Eric Fish, "da ergibt sich schnell, wer sich worum kümmert." Die Band als mittelständische Firma, die den Fans verpflichtet ist, aber auch sich selbst. "Man muss sich immer etwas einfallen lassen, um zu überraschen und zu begeistern", glaubt er.
Statt der üblichen Rockshow in Riesenhallen gibt es deshalb in diesem Jahr schlicht "Nackt" genannte Konzertauftritte ohne Netz und doppelten Boden. Ein paar Lehnstühle für die Musiker, eine Armada Leier, Dudelsäcke und Geigen, dazu die besten Stücke der Bandgeschichte und der alte Kumpel Tobias Unterberg am Cello - fertig ist eine intime Show der Superlative.
Eric Fish liebt es so. "Ich brauche es, den Leuten in den ersten Reihen in die Augen schauen zu können", sagt er, der die zurückliegende Bandpause genutzt hat, um sein inzwischen schon viertes Soloalbum herauszubringen.
In den großen Arenen ist das Publikum weit weg, bei seinen Solo-Auftritten sitzen alle auf Augenhöhe. "Am Anfang waren die Soloauftritte nur eine Idee, am Abend am Lagerfeuer entstanden." Einfach wieder zurück zu den Wurzeln, näher ran an die Fans. Die waren begeistert, "die Zuschauerzahlen gingen hoch" - und seitdem hat sich Eric Fish auch noch um eine Solokarriere zu kümmern.
"Ich bin sowieso nicht so der Feiertyp", erklärt er. Und wenn die Lieder wie zuletzt wie von selbst zu ihm kommen, ist alles leicht wegzuschleppen. Das Unterwegssein, die Busfahrten, die wenige Zeit für Privates. "Jeder Tag ist vollgepackt", sagt Eric Fish, "aber wenn man mal einen Moment verschnauft, ist es ein tolles Gefühl, all das geschafft zu haben." Neulich war er mal zu Besuch bei einem Studienfreund, der heute Chef seiner eigenen 400-Mann-Firma ist. Eric Fish hat gestaunt, "wie erfolgreich er ist". Aber er hat keine Sekunde daran gedacht, "dass ich das vielleicht sein könnte".
Subway To Sally live am 24. April im Werk 2 in Leipzig.