Stummfilm-Pianist Stummfilm-Pianist: Willy Sommerfeld ist mit 103 Jahren gestorben

Berlin/dpa. - Das teilten die Freunde der DeutschenKinemathek am Mittwoch mit. Sommerfeld galt als der dienstältesteStummfilm-Pianist weltweit und war Zeitzeuge der Anfänge des Kinos,als die Bilder laufen lernten und Dialoge der Schauspieler noch nichtzu hören waren. Noch mit über 100 Jahren saß er täglich am Klavier,die Musik hielt ihn jung.
Er begleitete Fritz Langs Klassiker «Metropolis» und sorgte fürGruselstimmung bei «Das Kabinett des Doktor Caligari». Seine Kunstbestand darin, dass er am Klavier stets improvisierte. Die Filme saher sich vorher nie an. Seine Aufgabe war es, die Stimmung auf derLeinwand im jeweiligen Kinosaal musikalisch zu untermalen, zumBeispiel die Tragik des Alterns in «Der letzte Mann» von FriedrichWilhelm Murnau, die Zarenhymne in «Der letzte Befehl» von Josef vonSternberg oder auch die Schmonzetten des alten Berlin für die FilmeErnst Lubitschs. Er spielte ohne Noten. «Die Noten gibt's im Kopp»,meinte Sommerfeld einmal schmunzelnd dazu.
Als Willy Sommerfeld am 11. Mai 1904 in Danzig geboren wurde,steckte der Film noch in den Kinderschuhen. Im Brockhaus-Lexikonseines Vaters war unter dem Stichwort «Kino» nur zu lesen: «Eine inForm von kleinen, schwarzrotbraunen Stücken in den Handel gelangendeDroge aus Westindien.» 17 Jahre später verfiel Sommerfeld derStummfilmdroge mit Klavierbegleitung, als er damit in Berliner Kinossein Musikstudium finanzierte.
Kurz bevor der Tonfilm eine neue Epoche einläutete, wechselteSommerfeld als Kapellmeister nach Braunschweig. 1933 weigerte ersich, nach einer Vorstellung den Hitlergruß zu zeigen und wurdeentlassen. Später war er als Komponist, Arrangeur und Chorleitererfolgreich, auch für den Rundfunk.
Das Berliner Kino Arsenal verschaffte dem pensioniertenKapellmeister 1972 ein Comeback, als er wieder einmal einen Stummfilmbegleiten sollte. Danach gab es für Sommerfeld, der eigentlich schonseit 1968 Rentner war, immer wieder neue Aufträge, von «Berlin -Sinfonie einer Großstadt» von Walter Ruttmann bis hin zu Gala-Filmvorführungen mit Live-Musik.
1995 erhielt Sommerfeld das Filmband in Gold, als er für seinLebenswerk mit dem Bundesfilmpreis ausgezeichnet wurde. DieInternationalen Filmfestspiele Berlin ehrten den großen alten Mannder Stummfilm-Musik 2004 mit einer Berlinale-Kamera. 2006 wurde ermit dem Bundesverdienstkreuz für sein Lebenswerk ausgezeichnet.
Sommerfeld sei einzigartig gewesen, «voller Humor und vollerEsprit», erinnert sich Milena Gregor vom Vorstand der Freunde derDeutschen Kinemathek. Noch steht nicht fest, wie der Musiker, derbereits am 19. Dezember starb, von dem Filmhaus am Potsdamer Platzgewürdigt wird. Ein Dokumentation über den Meister am Klavier liefbereits 2006 im Kino: «The Sounds of Silents - Der Stummfilmpianist»von Ilona Ziok.