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Stiftung Weimarer Klassik Stiftung Weimarer Klassik: Erinnern üben in flüchtiger Zeit

Von Andreas Montag 01.08.2002, 15:05

Weimar/MZ. - Und hinter dem Glas, das den Raum im Raumbegrenzt, ist Asche in Wolken gepresst: dieBewahrung des Schmerzes in der flüchtigenZeit. "Konzert für Buchenwald" heißt die Installationvon Rebecca Horn im Weimarer E-Werk. Die Arbeitwurde hier erstmals 1999 gezeigt und korrespondiertedamals mit einer zweiten Installation derKünstlerin im Schloss Ettersburg.

Das Thema trifft den Nerv der Stadt. Sindes doch beide Gesichter, zu denen Weimar sichbekennen muss, will es im Ganzen erkennbarsein: Weimar, die Klassikerstadt, der festgebuchte Ort jedes bildungsbeflissenen Bustouristen.Weimar, vor dessen Toren, auf dem Ettersberg,das Konzentrationslager Buchenwald für denBruch der Zivilisation steht. Es ist bekannt,wie schwer die Stadt und ihre Bürger sichlange getan haben, den zweiten Teil ihrerGeschichte anzunehmen - wohl auch aus derBefürchtung heraus, fortan und immer stellvertretendfür das Nichts-Gewusst-Haben-Wollen in Haftunggenommen zu werden.

Eine heraus ragende Rolle im spannungsvollenProzess der Auseinandersetzung, die selbstverständlichuns alle, auch die unschuldig Nachgeborenenbetrifft, die im Verdrängen oder gar Leugnenihrerseits Schuldige werden können, kommtder Kunst zu. Allein schon deshalb ist derUmstand, dass Rebecca Horns "Konzert für Buchenwald"seit gestern offiziell im Besitz der StiftungWeimarer Klassik ist, bemerkenswert. Finanzierthauptsächlich aus Mitteln der Bundeskulturstiftungund des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandesist der Stadt Weimar und ihren Gästen einnicht hoch genug zu schätzendes Geschenk fürden Erkenntnisweg gemacht worden, der überSinne und Herzen führt.

Ursprünglich nur geschaffen für das Jahr 1999,als Weimar Europas Kulturstadt war und dieOrganisatoren um Bernd Kauffmann mit zahlreichenAktionen die Nähe zum Ettersberg demonstrativheraus stellten, bleibt Rebecca Horns Arbeitnun also dauerhaft erhalten. Die Freude überden Zugewinn nicht schlechthin eines weiterenKunstwerkes ist verständlich: Es ist schonein "Coup", ein Werk wie das "Konzert fürBuchenwald" im E-Werk, einem ehemaligen Straßenbahndepot,zeigen zu können - im immer noch bedrohlichwirkenden Schatten des gigantischen, unvollendetgebliebenen Nazi-Gauforums zumal, in dem,ebenfalls 1999, die umstrittene Ausstellung"Aufstieg und Fall der Moderne" gezeigt wordenist.

Weimar fehlt es gewiss nicht an Spannung,werden die neuralgischen Punkte nur berührt."Ich bin sehr froh, dass meine Installationhier ist", sagt die Künstlerin einfach undlächelt. Die Ansprachen zuvor sind wohltuendkurz ausgefallen. Kulturstaatsminister JulianNida-Rümelin (SPD) hat das Kunstwerk in Weimarwillkommen geheißen und die Haltung der Bürgerschafthervor gehoben, "die das will und begrüßt".Und namens der Stiftung Weimarer Klassik zeigteihr Präsident Hellmuth Seemann sich zufrieden,dass man erkennbar nicht nicht allein mitden kulturellen Glanzleistungen, sondern auchmit den Abbrüchen der Kultur zu tun habe.Die Brücke zu Rebecca Horns Arbeit, hin zumErinnern, das den Opfern Gerechtigkeit gibtund ihre Menschlichkeit bewahrt, hat gesternaber eine Komposition von Olivier Messiaengegeben, entstanden 1941 in einem Kriegsgefangenenlagernahe Görlitz: Das "Quartett über das Endeder Zeit" ist bestürzend klar, ein Schmerzensrufnach Schönheit.