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Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Stiftung Preußische Schlösser und Gärten: Im Geiste Lennés

Von Thomas Kunze 23.11.2004, 07:42
Der Gartendirektor der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten, Michael Seiler, in Potsdam unweit des Schlosses Sanssouci (Foto vom 10.11.2004). Er ist am 5. November 65 Jahre alt geworden und wird am 30. November 2004 von der Schlösserstiftung in den Ruhestand verabschiedet. Damit geht eine Ära zu Ende - die der Rekonstruktion der 1990 wiedervereinigten Gartenlanschaft von Berlin und Potsdam. Heute erstrecken sich um Potsdam von Caputh bis zur Berliner Pfaueninsel sechs bedeutende Gärten. (Foto: dpa)
Der Gartendirektor der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten, Michael Seiler, in Potsdam unweit des Schlosses Sanssouci (Foto vom 10.11.2004). Er ist am 5. November 65 Jahre alt geworden und wird am 30. November 2004 von der Schlösserstiftung in den Ruhestand verabschiedet. Damit geht eine Ära zu Ende - die der Rekonstruktion der 1990 wiedervereinigten Gartenlanschaft von Berlin und Potsdam. Heute erstrecken sich um Potsdam von Caputh bis zur Berliner Pfaueninsel sechs bedeutende Gärten. (Foto: dpa) dpa

Potsdam/dpa. - Michael Seiler sitzt am Computer und bestelltRosenbüsche. Es sind keine gewöhnlichen Rosen, sondern Exemplare derhistorischen Sorte The Giant of battles. Seiler ist Gartendirektorder Stiftung Preußische Schlösser und Gärten. Seine kleine,verwunschen wirkende Residenz steht am Parterre von Sanssouci. «DasHaus ist dadurch geadelt, dass Peter Joseph Lenné hier gewirkt hat»,sagt Seiler. Er ist Nachfolger des berühmten Gartenbaumeisters, derim 19. Jahrhundert der Halbinsel Potsdam das heute bekannte Gesichteiner Park- und Gartenlandschaft gab.

Michael Seiler ist am 5. November 65 Jahre alt geworden, am 30.November wird er feierlich in den Ruhestand verabschiedet. Damit gehteine Ära zu Ende - die der Rekonstruktion der 1990 wiedervereinigtenGartenlandschaft von Berlin und Potsdam. Zu DDR-Zeiten gab es zwarSeiler zufolge eine vorbildliche Gartendenkmalpflege, aber großeGartenbereiche waren durch die Berliner Mauer zerstört. Seiler -damals Oberkustos auf der Pfaueninsel - unterhielt schon vor 1989gute Kontakte zu seinen Kollegen im Osten. «Aber ich hätte nie zuhoffen gewagt, dass wir einst gemeinsam hier arbeiten würden»,erinnert sich der Berliner.

Brandenburgs Kulturministerin Johanna Wanka (CDU) würdigt dieLebensleistung Seilers: «Ihm ist es ganz wesentlich zu verdanken,dass die beiden über Jahrzehnte getrennten Gartenlandschaften wiederharmonisch zusammengewachsen sind.» Inzwischen sind 36 Hektar Gartenim einstigen Grenzgebiet unter anderem in Babelsberg und im NeuenGarten wiederhergestellt. Dem Gartenchef unterstehen rund 120Mitarbeiter und mehr als 700 Hektar historische Gärten von KönigsWusterhausen bis Rheinsberg.

Potsdam-Sanssouci liegt dem Bekanntheitsgrad nach unter den großenGärten Deutschlands auf dem ersten Platz. «Das ist Lenné zuverdanken. Er hatte die Idee, eine ganze Landschaft mit der Havel alsgroßem Gartensee zu gestalten.» Heute erstrecken sich um Potsdam vonCaputh bis zur Berliner Pfaueninsel sechs bedeutende Gärten. FünfTage, so sagt man, braucht es, um sie zu durchschreiten.

Michael Seiler interessierte sich von Kindheit an für Botanik,Geschichte und Geometrie. «Vielleicht liegt es daran, dass ich Kriegund Bombennächte erlebt und seitdem einen Horror vor menschlichenLeidenschaften habe», meint er nachdenklich. «Natur und Pflanzenwelterscheinen mir dagegen als etwas sehr Glückliches.» Er gibt dasVorhaben eines Praktikums in einer Gärtnerei auf und studiertVermessungstechnik. Per Zufall besucht er eine Vorlesung überGartengeschichte und weiß, er hat seinen Beruf gefunden.

«Ich sehe die Welt aus der Gartenperspektive», sagt Seiler. «Mankann hier - gewissermaßen durch die Blume - viel über sich und andereMenschen erfahren.» Wer an einer Führung mit Seiler durch dessenGartenreich teilnimmt, spürt, dass er es nicht nur mit einemGartenkünstler, sondern mit einem Philosophen zu tun hat. DurchGärten zu wandern und über sich und die Welt nachzusinnen, gehört fürihn zur Bestimmung jedes Menschen. Seiler kann mitreißend-euphorischvom «Emaille der Farben auf den Blumenrabatten» zu Charlottenburg,von den «Verlockungen der Sichtachsen» im Marlygarten oder von der«vertikalen Melodie des Weges» im Park von Sanssouci schwärmen.

Ein Garten ist für den Gartenhistoriker einer Theaterbühnevergleichbar, mit dem Unterschied, dass er immer frisch und lebendigbleibe. «Diese Herbststimmung ist einzigartig», sagt Seiler bei einemSpaziergang durch Sanssouci. «Aber man bringt auch die Erinnerungenvon früheren Besuchen mit ein», fügt er in Proustscher Manier hinzu.Ob bei offiziellen Führungen oder quasi im Vorbeigehen - Seiler istimmer bemüht, von seinem Wissen abzugeben. «Riechen Sie densüdamerikanischen Kuchenbaum? Der ist schon zu Lennés Zeiten hiergepflanzt worden», erklärt er einem Ehepaar.

Als Rentner will Seiler nachholen, wofür ihm als Gartendirektornicht die Zeit blieb. So werde er einen Wegweiser durch die Parks undGärten von Sanssouci schreiben, um so viele Menschen wie möglich fürden Zauber und die Philosophie der Natur zu begeistern.