Stiftung Moritzburg Stiftung Moritzburg: Helden in ihrer Zeit
Halle (Saale)/MZ. - Zwei Leuchttürme in direkter Nachbarschaft sind auch keine Alltäglichkeit. In Halle ist das kulturelle Phänomen anzutreffen, seitdem die ehrwürdige Leopoldina, inzwischen zur Nationalen Akademie der Wissenschaften geadelt, ihren Sitz auf dem Jägerberg genommen hat, in Blick- und Rufweite der Stiftung Moritzburg, des halleschen Kunstmuseums.
Nun haben die Leitungen beider Häuser aus der neuen Lage eine Tugend gemacht und präsentieren ab Montag in der Moritzburg die gemeinsam konzipierte und kuratierte Ausstellung "Das Antlitz der Wissenschaft".
Protagonisten der Schau, die Wissenschaft und Kunst augenfällig zusammenführen will, sind die Mitglieder der 1652 in Schweinfurt gegründeten Akademie, die seit 1878 ihren Sitz in Halle hat und es über die Jahre auf annähernd 7 500 "Köpfe" gebracht hat, darunter 168 Nobelpreisträger.
Insgesamt 350 Gelehrtenporträts haben Michael Freitag, der in der Moritzburg für die Sammlungen zuständig ist, und Danny Weber, Leiter des Leopoldina-Archivs, ausgewählt - die Techniken der Bilder reichen, der jeweiligen Entstehungszeit entsprechend, vom Kupferstich bis zur Fotografie.
Denn eine besondere Bedingung für die der Mitgliedschaft in der Leopoldina, in die man auf Vorschlag eines Mitgliedes aufgenommen werden kann, besteht darin, dass der (oder die) Neue neben einem Lebenslauf eben auch ein Bildnis beizubringen hat, dass im Archiv der Akademie neben den schriftlichen Zeugnissen aufbewahrt wird.
So sind dokumentarische Schätze, darunter auch kunstgeschichtlich durchaus bedeutsame Bildnisse, zusammengekommen, die sowohl über die Zeit ihrer Entstehung als auch über den Charakter der porträtierten Persönlichkeit etwas aussagen können. Jedes Mitglied hatte und hat je nach Temperament, Zeitgeschmack und Laune die Freiheit, über die Botschaft seines Porträts zu entscheiden.
"Manche der Abgebildeten posieren wie Herrscher, andre lümmeln oder inszenieren sich als Denker", fasst Michael Freitag seine Beobachtungen zusammen. Und heute schicke mancher Kandidat einen Schnappschuss aus dem Segelurlaub, merkt Jutta Schnitzer-Ungefug, die Generalsekretärin der Leopoldina, heiter an. Ihr ist allerdings noch etwas anderes aufgefallen: Es sind nur sehr, sehr wenige Frauen unter den Mitgliedern der Akademie. Das hat man geahnt, vielleicht auch gewusst und möglicherweise die Schultern gezuckt. Nun aber reibt man sich die Augen und macht sich etwas beschämt auf die Suche. Auch dies zählt zu den Vorzügen der Ausstellung, die alles andere als die Erledigung einer staubigen Pflichtaufgabe ist.
Natürlich will die Stadt Halle, auch wenn sie das Titelprivileg als Stadt der Wissenschaft nicht gewonnen hat, trotzdem mit ihren ideellen Reichtümern wuchern. Hierfür gibt es zudem ein starkes öffentliches Interesse - und nun eben auch die schöne Gelegenheit, den Helden der Forschung ins Auge oder auf die stolzgeschwellte Ordensbrust zu blicken.
Den Vogel in dieser Disziplin schießt ohne Zweifel Joseph Edler von Lenhossék ab, ein Mediziner, der 1818 geboren worden war, 1886 Mitglied der Leopoldina wurde und zwei Jahre später starb. Er hat sich für das Foto-Shooting in höchst offizielle Schale geworfen - samt aller Kreuze, Sterne und Bänder, die ihm für seine Verdienste jemals angetackert worden waren.
Interessant sind auch klassische Porträts etwa des Apothekers und Naturaliensammlers Albert Seba (1665-1736) oder des Mediziners Gottfried Thomasius (1660-1746), die mit der ganzen Würde ihrer Forschung, barockem Selbstbewusstsein und gar einem maliziösen Lächeln abgebildet werden.
Der Physiker Albert Einstein (1879-1955) raucht auf seinem Porträtfoto gelassen Pfeife. Die Zoologin Maria Gräfin von Linden (1869-1936) hingegen zeigt sich der Männerwelt hochkonzentriert im Profil. Verdenken kann man ihr das wirklich nicht.
Moritzburg Halle, Eröffnung am Montag um 18.30 Uhr, bis zum 8. Juli