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Stasi heult Rotz und Wasser Stasi heult Rotz und Wasser: Leander Haußmann reanimiert für für Volksbühne Berlin die DDR

Von Andreas Montag 17.12.2018, 11:00
Die Staatssicherheit in ihrem Haus DDR.
Die Staatssicherheit in ihrem Haus DDR. Christoph Soeder/dpa

Berlin - Kunst hat das Privileg, maßlos sein zu dürfen - ja, zu müssen. Damit ihre Nachricht auch gehört wird. Leander Haußmann, Jahrgang 1959 und in Quedlinburg geboren, hat sich dieser goldenen Regel schon immer lustvoll bemächtigt, als Filmregisseur wie als Theatermacher. Nun war er eingeladen, an der Volksbühne in Berlin sein Stück über die DDR und die Stasi zur Uraufführung zu bringen.

Rätselhafte politische Logik

Das traditionsreiche Haus am Rosa-Luxemburg-Platz hat Wiederbelebung nötig, seit es rätselhafter politischer Logik folgend, der kaum jemand zu folgen vermochte, auf die Bretter geschickt worden war. Zwar ist Chris Dercon, der Frank Castorf 2017 nach dessen 25-jähriger Intendanz glück- und ideenlos beerbte, längst schon wieder Geschichte, aber die Volksbühne muss ihre Zukunft erst noch bauen.

Da kommt ein Tausendsassa wie Leander Haußmann mit „Haußmanns Staatssicherheitstheater“ gerade recht, um gute Stimmung zu erzeugen, auch wenn das grotesk überzeichnete Spiel beileibe nicht nur lustig ist. Und mit dreieinhalb Stunden ganz schön lange dauert. Haußmann ist auch in dieser Hinsicht maßlos. Und damit auf dem richtigen Dampfer. Denn die DDR ist in Wahrheit ja noch nicht vergangen, sondern lebt in ihren unterschiedlichen Protagonisten fort.

Stasi am Haken: Wo Täter sind, müssen Opfer sein

Nicht alle von uns Ostmenschen würden das unterschreiben, Haußmann scheint keine Zweifel daran zu haben. So entschieden er die Stasi, um die es ja hier in der Hauptsache geht, in die Verdammnis ewigen Gelächters schickt. „Wenn man anfängt, über uns zu lachen, dann geht unser schönes Land unter“, wird Erich M., Mielke also, im Programmheft zitiert. Der Stasi-Minister, der nach der friedlichen Revolution vom Herbst 1989 greinte, er liebe uns doch alle. Und ausgelacht wurde dafür.

Wo aber Täter sind, müssen Opfer sein. Die bekommen in Haußmanns mit Slapstick gewürztem Stück auch schon mal ihr Fett weg - bei aller grundsätzlichen Empathie, die sie genießen. Der Autor und Regisseur selbst sowie zwei seiner alten Freunde, die in der Aufführung mitspielen, Uwe Dag Berlin und Norbert Stöß, hatten einst die Stasi am Hacken. Stöß wurde 1987 zu sechs Monaten Haft verurteilt, weil er im Theater Gera „Die Mauer musz weg“ an die Wand geschrieben hatte.

DDR-Geschichte als bitterer Witz

In Berlin geht es jetzt tragisch und komisch zugleich zu. Und das in einem Haus, das die DDR ist. Über drei Etagen hat es Lothar Holler gebaut. Grandios! Dort liest eine Frau in ihrer Stasi-Akte, dass ihr Mann, mit dem sie seit 30 Jahren verheiratet ist, sie schon 14 Tage nach der Hochzeit betrogen hat. Dort heult der Stasi-Häuptling, als Transe mit Atombusen, Rotz und Wasser beim Lied vom kleinen Trompeter Fritz Weineck aus Halle.

Der war 1925 durch einen Schuss getötet und zum kommunistischen Märtyrer glorifiziert worden. Die Karikatur des schniefenden, sentimentalen Stasi-Bosses ist ein so starkes Bild, dass man es nicht vergessen wird. Beim burlesken, von Haußmann reichlich selbstverliebt gedehnten Einbruch der Geheimdienstdeppen in das Intimleben eines Paares dagegen werden weniger humorfreudige Ex-Oppositionelle vielleicht den Verrat durch den Freund wittern.

Da begegnet der verheiratete Maler, der so gern bei der jüngeren Widerständlerin liegt, in deren Schlafzimmer seinem Sohn, der ein Stasi-Bengel ist. DDR-Geschichte als bitterer Witz.

Kompromissloser Spieltrieb

Haußmanns kompromissloser Spieltrieb hat seine Stärken: Der ewig alterslose Junge sagt und zeigt, was er sagen und zeigen will. Wenn am Ende ein Lied von Manne Krug im Raum bleibt und der großartige Fotograf Harald Hauswald mit auf der Bühne steht, dessen Ostberlin-Bilder die Inszenierung historisch grundieren, dann versteht man auch, dass Leander Haußmann seine Sache verdammt ernst meint. Und ziemlich gut gemacht hat.

››Nächste Aufführung am 21. Dezember um 19.30 Uhr (mz)