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Stadtsingechor Halle Stadtsingechor Halle: Die Verzückung unter dem Kreuz

21.03.2007, 19:58

Halle/MZ/ahi. - Die als "Brockes-Passion" bekannte Geschichte "Der für die Sünden der Welt gemarterte und sterbende Jesus" ist eigentlich kein Text, den man jungen Menschen ungeschützt in die Hände legen darf. Die Verzückung, mit der hier die "Tochter Zion" von Blutsrubinen und "bis ans Gehirne" durchlöcherten Schläfen singt, spielt aus dem Religiösen in seltsam erotische Bereiche - und ist typisches Beispiel für barocke Begeisterung im Angesicht des Gekreuzigten.

Im Falle des Stadtsingechores Halle freilich ist das Interesse so professionell wie die Ausbildung, die jungen Sängern hier zuteil wird. Wie nachhaltig solche Erziehung wirkt, konnte man bei der Aufführung in der Ulrichskirche daran erkennen, dass alle männlichen Solisten einschließlich des Dirigenten Nikolaus Müller erste musikalische Erfahrungen in Knabenchören gesammelt haben. Dass die elegante Rezitativ-Linie des Evangelisten (Matthias Schubotz) oder die wahrhaft vorbildlichen, aus dem Orchester abgenommenen oder als Fanfarenton kontrastierenden Arien des Peter Diebschlag wiederum ein Vorbild für den Nachwuchs gaben, schreibt die Tradition fort.

Etwas - pardon - blutvoller aber hätte man sich Händels Musik unter den Händen des halleschen Festspielorchesters schon gewünscht: Nur in seltenen Momenten, etwa im Violin-Solo vor "Dem Himmel gleicht", spürte man die nötige Emphase mit dem Gottessohn. Ansonsten waren die Beteiligten eher moderat gestimmt - was wie vorauseilende Relativierung des gewaltigen Textes wirkte. Vor allem Barbara Tisler schien eher in Elegie als in Ekstase heimisch, wo ihr mit dem nötigen Atem gelegentlich auch der Ton fehlte.

Während Rasa Márti kehliges Dunkel in ihre Partie mischte, trug Susanne Langner sogar den Selbstekel des Judas noch mit Fassung. Stefan Heinemanns Jesus hingegen überzeugte durch Ruhe und Kraft, Felix Plock durch genaue Charakterisierung seiner Figuren. Und der Chor? Stark im Unisono der Gemeinde, nur selten wacklig in den Turbae-Passagen. Bemerkenswert!