Städtebau Städtebau: Bagger knabbern an der Geschichte

Gera/dpa. - Sie erinnern an einen Staat, den es seit 16 Jahrennicht mehr gibt. An ein Zeitalter, dessen Spuren mehr und mehrschwinden. Ob in Berlin, Dresden oder Magdeburg: In ostdeutschenStädten werden prägnante Bauten der DDR abgerissen, abgetragen odermit modernen Hüllen bedeckt. «Es ist immer das Gleiche: Die Epoche, die vorher war, wird abgelehnt», sagt der Stadtumbauexperte VeitBlochberger, Dozent an der Fachhochschule Erfurt.
Am deutlichsten wandelt sich noch immer das architektonischeAntlitz der einstigen Hauptstadt des sozialistischen TeilsDeutschlands. Nach jahrelangen Debatten um den Palast der Republikverschwindet dieser nun endgültig; Tag für Tag, Stück um Stück.Ostern 2007 soll das Kultur-Prestigeobjekt der DDR komplett abgebautsein. Wenige Schritte weiter, am Alexanderplatz, ist die DDR-typischeWabenfassade des Kaufhauses durch eine moderne Sandsteinvarianteersetzt worden.
An der Kreuzung der Friedrichstraße mit dem Boulevard Unter denLinden rückten die Bagger am «Hotel unter den Linden» an. Ein halbesJahrhundert lang war der Plattenbau mit der schillernden Adresse einbeliebtes Domizil; zunächst für Diplomaten und Funktionäre, nach demFall der Mauer dann für Touristen, die eine preiswerte, aber gutgelegene Bleibe suchten. Nun bestimmen an der belebten KreuzungVerkaufsbuden auf staubigem Boden das Bild.
In Magdeburg wurden zuletzt mehrere Hochhäuser aus den siebzigerJahren abgerissen, die teils die Silhouette der Innenstadt prägten.Offen ist noch die Zukunft von zwei - hässlichen - Bürogebäuden imDDR-Look in der Magdeburger Innenstadt. Eines wird vom Volksmund«Blauer Bock» genannt.
In Frankfurt (Oder) ging die Ära des verfallenen einstigen Horten-Kaufhauses zu Ende, das nach einem «Auftritt» im preisgekrönten Film«Halbe Treppe» nun weggebaggert wurde - für ein modernesEinkaufszentrum.
Kaufhäuser mit Waben-Fassaden, einst Vorzeigeobjekte der modernenDDR-Architektur, gibt es noch in Suhl, Dresden und Leipzig. Ineinigen Monaten wird voraussichtlich die unter Denkmalschutz stehende«Blechbüchse» in Leipzig das einzig noch übrig gebliebene Waben-Haussein. Das einstige Centrum-Warenhaus von Suhl steht seit mehr alsfünf Jahren leer. Nun soll das Gebäude in bester Lage ein modernesEinkaufszentrum mit Passagen werden - und ohne Waben.
Auch in Dresden sind die Tage der Waben gezählt. Bislang hatKarstadt das Kaufhaus auf der sozialistischen Vorzeige-FlaniermeilePrager Straße genutzt. Doch der «Silberwürfel», eines der dreijüngsten DDR-Kaufhäuser, muss demnächst einem weiteren DresdnerShopping-Center weichen. Karstadt hat die Immobilie verkauft. EineBürgerinitiative, der auch Architekten und Stadtplaner angehören,will den Abriss des Hauses mit der futuristischen Aluminiumfassadeaber noch verhindern.
«Stadtplanung wird immer mehr von Investoren betrieben und kaummehr von den Kommunen», sagt Blochberger. Vor den Zeugnissen jüngererGeschichte gebe es keine Achtung. «Dabei galt zum Beispiel einst dieneue Prager Straße in Dresden sogar als Vorbild für den Westen:Architekten aus Rotterdam haben auf einer DDR-Exkursion abgeguckt undnun gibt es die Prager Straße in Rotterdam noch einmal», berichtetder Dozent für Stadtplanung. Hartmut Häussermann, Professor fürStadt- und Regionalsoziologie an der Berliner Humboldt-Universität,beschwichtigt: «Städte wandeln sich immer. Die Vorlieben fürbestimmte Stile ändern sich ebenfalls.»