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Staatsoper Staatsoper: Blumenkinder am Airport

Von Matthias Frede 05.06.2001, 16:45

Berlin/MZ. - Die pummelige Fiordiligiund ihre größere Schwester Dorabella, beidemodisch im Mini-Fummel, haben ein nett gemustertesApartment in Neapel angemietet. Sitzecke,Fernseher, Telefon, Bad, Küchenzeile, Dachtreppe,Terrassenpool mit Klappliegen, Garage fürden Fiat - alles dran, auch die nahe Einflugschneisedes modernen Airports. Das ist sehr praktisch,weil die geschäftstüchtigen Machos der lockerenitalienischen Damen per Flieger namens "Cosi"schnell vor Ort sind, wenn es brenzlig wirdim gemeinsamen Liebesleben.

In seine bislang heikelste Situation gerätdas flotte Quartett allerdings durch eineschamlose Wette, zu der sich die jungen HerrenGuglielmo und Ferrando vom launigen Boss DonAlfonso noch beim Check-in auf dem Flughafenhaben verleiten lassen, um die angezweifelteTreue ihrer Freundinnen als unerkannt verkleideteBlumenkinder unter Beweis zu stellen. Dochdumm gelaufen: Während sich der von Alfonsobestellte und entlohnte Hippie-Service dessexuell freizügigen Event-Unternehmens "Flowerpower" im bunt blühenden Garten der Lüsteverlustiert, führt das infam verführerischeExperiment am offenen Herzen alsbald zum katastrophalenPartner-Tausch.

Hier nun droht selbst Don Krisenmanagers infraroteFernbedienung zu versagen - wetten, dass?Und alles "Così fan Tussi" oder was? Nichtselten, aber nicht ganz. Denn wo in dieserunserer Spaßgesellschaft derweil fast jederan nahezu jedem Metier dilettieren kann, vermager sich nur leidlich zu vermarkten, da hatauch eine filmreife "Männer"-Kennerin wieDoris Dörrie ein Recht auf den losen Wolferl.Mithin markiert ihr Musiktheater-Einstandzugleich den Abschluss des dreiteiligen Mozart/DaPonte-Zyklus der Berliner Staatsoper, nachdemsich Vor-Regisseur Thomas Langhoff dort zweimalals Langweiler erwiesen hatte.

So bekam die preisgekrönte Leinwandfrau undBuchautorin eine unverhoffte Chance, ordentlichdagegen zu halten. Und es war letztlich zuerwarten, dass sie angesichts ihres ebensomut- wie dann eigenwilligen Opern-Debüts keinebarocke Buffa-Romanze, sondern eher Mozartlight präsentieren würde. In der exakt zeittypischenDekoration und Kostümierung des Münchner AusstattersChristian Sedelmayer spielt "Così fan tutte"à la Dörrie jetzt also unter provozierendschrillen Selbstdarstellern des blumigen Jugendprotestsam Ende der 60er Jahre.

Na bitte, das ist doch immerhin eine lustigeÜberraschung, die vom animierten Premierenpublikumauch als solche quittiert wurde, obschon derartigdreiste Transformationen längst nicht mehrneu sind - siehe John Dews fröhliche Mozart-Triasin Leipzig oder Halles groteske Badewannen-"Cosi".Ähnlich Unter den Linden: Doris meets Amadeus,ohne dass daraus indes ein Falco-Musical gewordenwäre. Schließlich weiß Frau Dörrie mit Schau-Spielernund realen Aussteigern umzugehen sowie ihreeingestandene Unsicherheit in musikalischenDingen durch Intuition kompensieren.Bei aller Naivität ihres 1:1-Zugriffs serviertdie Seiteneinsteigern demzufolge viel szenischenWitz und bisweilen erstaunlich genau auf denKlangrhythmus gesetzte Situationskomik.

Den gefeierten Protagonisten, zumal DorotheaRöschmanns widerborstiger Fiordiligi, WernerGüras tenoral glänzendem Ferrando und RomanTrekels bestechend kultiviert gesungenem DonAlfonso, gelingen dabei gleichermaßen sensiblewie humorige Charakterstudien. Der systematischverblümte Berliner "Così"-Aufriss ist im Rampenlichtfolglich weniger schlimm, als jenseits derBühne beschrieben. Hausherr Daniel Barenboimhält die Musik ohnehin für das Wichtigste,nicht etwa die Inszenierung.

Da liegt er wohl richtig, sich am Pult mitakzentuiertem Tempo und vitalfarbiger Tonmalereibehauptend. Kino-Star Doris Dörrie kann dennocheinen insgesamt achtbaren Opern-Start verbuchen.Mozart hatte den freilich bereits vor mehrals zwei Jahrhunderten.

Nächste Aufführungen: 9., 12., 15. und17. Juni, 19 Uhr.