Sportfreunde Stiller glauben an das Gute

München - Es gab mal eine Zeit, da waren die Sportfreunde Stiller Newcomer, eine junge, neue Band. Unglaublich, dass das inzwischen schon 20 Jahre her sein soll. Ist es aber. Die Sportis feiern mit ihrem neuen Album „Sturm und Stille” ihr 20-jähriges Bestehen.
Die drei Musiker Peter Brugger, Rüdiger Linhof und Florian Weber sind inzwischen Anfang 40 und haben schon einige Höhen und Tiefen hinter sich gebracht, wie sie im Interview der Deutschen Presse-Agentur in München erzählen.
Frage: Eigentlich hatten Sie sich doch eine Auszeit vorgenommen - aber jetzt gibt es wieder eine neue Platte. Halten Sie es nicht ohne einander aus?
Antwort Florian Weber: Dieses Mal wollten wir eigentlich gar keine richtige Auszeit machen. Wir haben nach dem Unplugged-Album diese sehr sehr lange Pause gehabt, die uns etwas im Ungewissen ließ. Jeder hatte da seine eigenen Vorstellungen, wie es weitergeht. Da haben sich die Geister geschieden. Da wieder zusammen zu finden, war ein Akt, den wir so bis dahin noch nicht zu bewältigen hatten. Dieses Mal haben wir vorausschauender geplant und haben festgelegt, dass es ein halbes Jahr nach der Tour wieder weitergeht und einen Termin in einer Skihütte fixiert. Da kam dann keiner mehr aus.
Frage: Sie machen das Ganze ja nun schon eine Weile und nicht erst seit gestern. Hat sich an der Gruppendynamik irgendwas geändert?
Antwort Rüdiger Linhof: An der grundsätzlichen Dynamik nicht. Aber man akzeptiert inzwischen eher, dass man unterschiedlich ist. Am Anfang tendierte man vielleicht noch dazu, den anderen davon zu überzeugen, ein anderer Mensch zu werden. Es ist eine große Erleichterung, dass wir inzwischen akzeptieren, dass jeder so ist wie er ist. Das macht die Dinge entspannter und den Umgang cooler.
Frage: Trauen Sie sich heute mehr als in den Anfangszeiten, nehmen Sie sich mehr Freiheiten? Oder ist umgekehrt der Erwartungsdruck heute höher?
Antwort Peter Brugger: Erwartungsdruck hatten wir eigentlich nicht, wenn dann aus uns selbst heraus. Hatten wir jemals das Gefühl, dass wir es jemandem beweisen müssen?
Antwort Weber: Ich schon. Diese Vergleiche und den Blick auf andere Bands, was live passiert, den kannte ich schon. Mittlerweile hat es sich relativiert. Auch von Seiten der Plattenfirma gibt es natürlich Erwartungen. Aber seit dem Unplugged-Album finde ich schon, dass wir uns mehr zutrauen, weil wir eine neue Art, zu musizieren, kennen gelernt haben. Wir trauen es uns zu, weil wir Spaß daran haben und nicht, weil wir irgendjemandem noch etwas beweisen müssen.
Frage: Stichwort andere Bands: Auf dem neuen Album gibt es eine Hommage an Lemmy von Motörhead, an Keith Richards von den Rolling Stones und an Angus Young von AC/DC. Warum die drei?
Antwort Linhof: Keith Richards und Lemmy sind einfach besondere Charaktere, die mein ganzes Leben irgendwie da waren. Bei Lemmy ist es gar nicht so, dass ich ein Riesen-Fan von der Musik war. Aber ich fand ihn einfach saucool. Keith Richards ist einer der Könige des Rock-Olymps und es ist nunmal so, dass wir alle irgendwann aussehen wie Keith Richards. Meine Oma hat es zumindest getan. Je eher man sich dessen bewusst wird, desto besser.
Antwort Weber: Viele Musiker, die uns geprägt haben, gibt es nicht mehr, weil sie gestorben sind, wie Adam Yauch von den Beastie Boys, die ja auch auf dem Album vorkommen. Das hat mir schon einen Stich versetzt. Andere haben sich aufgelöst. Und fehlen auch.
Frage: Gab es Überlegungen, sich aufzulösen, bei Ihnen auch schonmal?
Antwort Weber: Also bei mir nicht.
Antwort Linhof: Dass wir es wirklich lassen wollten nicht. Aber es war schon so, dass man zeitweise nicht wirklich wusste, wie es weitergeht. Aber im Nachhinein bereichert es uns schon, dass wir durch solche Zeiten durchgegangen sind, dass wir Konzerte verbockt haben. Es sind immerhin 20 Jahre und die können nunmal nicht gleichförmig verlaufen.
Frage: Macht es immer noch so viel Spaß wie vor 20 Jahren? Oder bringt selbst dieser Job Abnutzungserscheinungen mit sich?
Antwort Brugger: Es gibt natürlich schon zähe Momente und Phasen, in denen es nicht leicht ist und ich mich frage, wo es hingehen soll. Wir haben ja inzwischen schon viele Lieder geschrieben und viel gesagt. Aber wir sind dann eben dazu verpflichtet, uns weiter zu entwickeln. Dann gibt es aber auch Sachen, die ich heute besser finde als früher. Ich bin zum Beispiel nicht mehr so krass nervös, weil ich einfach auf eine gewisse Erfahrung zurückblicken kann.
Frage: Was waren das für Konzerte, die Sie verbockt haben?
Antwort Linhof: Das nimmt komischerweise jeder anders war. Ich bin schon kopfschüttelnd von der Bühne gegangen, während die anderen beiden es total geil fanden und gefeiert haben. Natürlich gibt es auch Konzerte, die objektiv verbockt sind...
Antwort Weber: .. aber wir standen ja auch nie für Perfektion. Ob ein, zwei oder zehn Fehler passieren, ist nicht entscheidend, sondern es war uns immer wichtig, dass die Energie, die Atmosphäre und die Stimmung passen, dass eine Umarmung entsteht zwischen Band und Publikum...
Antwort: Linhof: Ich will nicht alle umarmen.
Frage: Machen Sie sich Sorgen um die Atmosphäre in Zeiten, in denen Großveranstaltungen aus Terrorangst unter besonderer Beobachtung stehen?
Antwort Brugger: Ich persönlich habe überhaupt keine Angst, dass etwas passieren könnte. Aber ich habe auch keine Angst vor einem Unfall, wenn ich Auto fahre - und da ist die Wahrscheinlichkeit ja deutlich höher. Es ist einfach nicht alles sicher und durch totale Observierung wird die Unsicherheit bloß noch mehr geschürt.
Antwort Linhof: Angst ist ein Gefühl, das Platz braucht in der Birne und wenn man mit coolen Leuten auf einem coolen Festival ist, dann hat die Angst keinen Platz.
Frage: Ist Ihr neues Album darum so, wie es ist?
Antwort Linhof: Es gibt keinen Anlass für Zynismus und Frustration. Es gibt so wahnsinnig viele gute Menschen. Es gibt keinen Anlass, vor irgendetwas zu kapitulieren. Natürlich gibt es auch Scheiße, aber das Gute ist ganz schön stark in diesem Land.
ZUR BAND: Die drei Musiker Peter Brugger, Rüdiger Linhof und Florian Weber gehören als Sportfreunde Stiller zu den erfolgreichsten deutschen Bands und haben vor allem mit ihrer Fußball-Hymne „56, 74, 90, 2006” zum Sommermärchen 2006 Musikgeschichte geschrieben. (dpa)