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Spiegel und Focus Spiegel und Focus: Neue Runde im Streit um Bestsellerlisten

20.03.2001, 17:54

Frankfurt/Main/Leipzig/dpa. - Angetreten mit dem Anspruch, erstmals das wirkliche Geschehen im Buchhandel darzustellen, steht die neue «Focus»-Bestsellerliste schon von allen Seiten unter Beschuss. GfK-Experte André van Buren findet «inhaltliche Ungereimtheiten». Und «Spiegel»-Kulturchef Mathias Schreiber hält sie schlicht für nicht repräsentativ. Die vielfach noch nicht ans Datennetz angeschlossenen ostdeutschen Buchhändler seien nicht erfasst.

Dabei wollten die Münchner ihre Konkurrenz vor allem in punkto Zuverlässigkeit und Aktualität in den Schatten stellen - mit einer erstmals in Deutschland auf tatsächlichen Verkaufsergebnissen basierenden Liste. Diese wird von dem Marktforschungsunternehmen Media Control (Baden Baden) erstellt und täglich von den Scanner- Kassen von über 400 Bücherverkaufsstätten abgerufen. Damit «dürfte es mit dem amtlichen Charakter der "Spiegel"-Liste vorbei sein», hofft «Focus»-Kulturredakteur Rainer Schmitz. Börsenvereins-Sprecher Eugen Emmerling hält dagegen, eine zuverlässige Bestsellerliste brauche eine weit reichende Basis und dürfe «nicht nur auf den Angaben einiger weniger 100 Buchhandlungen beruhen».

«Die Leser haben großen Bedarf an Orientierung. Da können Bestsellerlisten helfen», ist Emmerling überzeugt vom Sinn der Bücher-Hitlisten. Vor allem von der eigenen - seiner Einschätzung nach das «mit Abstand führende Projekt». Geplant sei eine flächendeckende und repräsentative Marktbeobachtung im Buchhandel. Völlig neue Erkenntnisse werden erwartet. «Unser Geschäft ist Marktforschung», sagt GfK-Projektleiter André van Buren. «Eine Bestsellerliste ist nichts anderes als eine Produktliste. Das ist für Marktforscher so ziemlich das einfachste.»

Bestsellerlisten von Büchern aller Genres - ob Belletristik, Ratgeber oder Kinderbücher - können künftig erstellt werden, erklärt van Buren. Erfasst werden sollen bundesweit rund 500 Buchhandlungen, 400 Kaufhäuser, gut 200 Bahnhofsbuchhandlungen sowie der Versand- und Onlinehandel. Die Ergebnisse sollen Verlagen, aber auch dem Handel angedient werden. Einziger Nachteil: Erste stabile Ergebnisse werden erst in der zweiten Jahreshälfte erwartet. Bis zum Jahresende soll das Projekt aber stehen. Bis dahin sei die «Focus»-Liste immerhin ein Fortschritt gegenüber der alten vom Branchenblatt «Buchreport» (Harenberg-Verlag Dortmund) erhobenen Bestsellerliste des «Spiegel», meint Emmerling.

Die «Spiegel»-Liste, seit Jahrzehnten wöchentlich bundesweit verbreitet, hatte den Streit ausgelöst. Die Liste basiert auf Vorschlagslisten, in denen der Buchhandel die seinem Eindruck nach am häufigsten verkauften Bücher ankreuzt und die Ergebnisse per Post zurückschickt. Ratgeber, Koch- und Kinderbücher werden aussortiert. Jedenfalls meistens. Joanne K. Rowlings «Harry Potter»-Bände führten die Bestsellerlisten monatelang an.

«Spiegel»-Kulturchef Schreiber steht dennoch zu der bis jetzt wichtigsten Liste, räumt aber «Schwachstellen» ein: Vor allem könnten Buchhändler Titel vermerken, die sie in großen Mengen eingekauft, aber noch nicht abgesetzt hätten. Harenberg habe eine «altmodische Methode, aber es ist immer noch die solideste». Doch künftig wollen die Hamburger ebenfalls eine aktuellere Sellerliste anbieten.