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Spice Girls Spice Girls: Von Mädchen und Müttern

Von Mareen Linnartz 14.12.2007, 21:34

Halle/MZ. - Gut, Ort und Art der Zusammenkunft ist etwas mondäner, welche Freundinnen aus, sagen wir Leeds, Mittelengland, checken schon für mehrere Wochen in Los Angeles ein und beziehen dort fünf Luxusvillen mit 24 Schlafzimmern, 29 Bädern und sechs Pools, aber die Gespräche könnten ähnlich verlaufen: "Und, schläft dein Kleiner schon durch?" "Hast du noch Kontakt zu, na wie hieß er noch mal . . .?"

Nur um sich zu sehen sind Victoria Beckham, Emma Bunton, Geri Halliwell, Melanie Chisholm und Melanie Brown allerdings nicht ins sonnige Kalifornien gekommen. Die Spice Girls haben ja nach diversen Zickenkriegen, spektakulären Abgängen und dem endgültigen Auseinanderbrechen vor sieben Jahren schon diesen Sommer verkündet, sich wieder lieb zu haben.

Aber jetzt droht der Ernstfall: Welttournee. Und deswegen gehen schon seit Wochen Tanztrainer, Ernährungsexperten und sonstige Fachkräfte in den diversen Villen ein und aus, um die Band, die wie keine andere die Neunziger durcheinander wirbelte, fit zu machen für die große Tour, die ein Abschied werden soll, für immer. Das größte Geschenk machen sie sich dabei vermutlich selbst: Sie haben noch keinen Piep von sich gegeben, da ist jede einzelne von ihnen schon jetzt 15 Millionen Euro reicher, womit die Girl Group vermutlich die teuerste Wiedervereinigung einer Band der Geschichte hingelegt hat.

Am Ende der dreimonatigen Tour werden durch CD-Verkäufe und Merchandising noch geschätzte vier Millionen Euro pro Spice Girl in die Kassen gespült werden. Keine schlechte Form der Altersvorsorge, schließlich sind die Famous Five keine Teenager mehr wie zu Beginn ihrer Karriere, sondern gereifte Mittdreissigerinnen, die zudem alle, bis auf Mel C, hungrige Mäuler zu stopfen haben - aus den frechen Mädchen von einst sind nämlich längst Mütter geworden.

Noch nie haben die Spice Girls etwas dem Zufall überlassen. Als sich 1994 die Teenager Emma Bunton, Geri Halliwell, Melanie Brown, Melanie Chisholm und Victoria Beckham nach einer Zeitungsanzeige zu einer Gruppe formierten, fanden sie den gewählten Bandnamen "Touch" schnell blöd und ihren Manager ungeeignet. Sie feuerten ihn und nannten sich "Spice Girls" nach zwei zähen Jahren bekamen sie einen Plattenvertrag, sie wurden ein Phänomen: Ihre erste Single "Wannabe" schoss in 30 Ländern auf Platz eins, im eingängigen Pop sangen sie "I tell you what I want, what I really really want . . .", und was sie wollten, wurde jedem schnell klar: Berühmt werden, reich werden und zwar nach ihren Regeln.

Schön nach Zielgruppe aufgeteilt bekam jedes Mädchen einen Markennamen - Mel C. turnte als "Sporty Spice" über die Bühne, Emma Bunton mimte als "Baby Spice" die blonde Lolita, Mel B. zeigte als "Scary Spice" raubkatzenhaft ihre Zähne, Geri Halliwell versprühte als "Ginger Spice" Spindluder-Erotik und Victoria Beckham gefror als "Posh Spice" das Lächeln zu einer arrogant-abschätzigen Miene, die sie bis heute nicht abgelegt hat.

Sie perfektionierten ihr Image der frechen Mädchen, die sich nehmen, was sie wollen, bis zur Perfektion: Pinkelten in Topfpflanzen, sinnierten in Interviews über die besten Vibratoren, zwickten in den königlichen Hintern von Prince Charles. Dazu schufen sie sogar "zehn goldene Regeln", deren drei wichtigste sich so zusammenfassen lassen: "Lass dir von niemanden erzählen, dass du etwas nicht machen kannst. Habe Spaß. Leite dein Leben und dein Schicksal."

Dazu gehörte für die Spice Girls offenbar, 1998 auch ihren zweiten Manager, Simon Fuller, der noch heute als einer der besten seines Fachs gilt, zu feuern und fortan von Tourneeplanung bis zum Verhandeln von Sponsoren-Verträgen alles selbst zu machen. Im gleichen Jahr verließ Geri Halliwell, "Ginger Spice" die Band, an einen weiteren Grundsatz ihrer selbst ernannten "Girl Power"-Regeln hielten sich die verbliebenen Spice Girls bei dem Abgang nicht. "Unterstütze deine Freundinnen" heißt es darin unter anderem.

"Girl Power heißt nicht: Verbrenn deinen BH! Girl Power heißt: Trag Make-Up, mach dich schön, mach die Männer verrückt", hat Geri Halliwell kurz vor ihrem Abgang gesagt, ein paar Jahre bevor sie sich zum Skelett hungerte. Es war nur eine Randbemerkung, aber entlarvend genug.

Girl Power im Jahr 2007 sieht in der Interpretation der Spice Girls dementsprechend nun so aus: Victoria Beckham erinnert schon seit geraumer Zeit an ein freudloses Hühnchen mit viel zu großem Kopf und viel zu großer Sonnenbrille, alle Spice Girls haben sich für die anstehende Tournee einem strikten Fitnessprogramm unterworfen und unterschrieben, keinesfalls schwanger zu werden. "Leider sind wir nicht mehr so jung und dehnbar wie früher", hat Mel B. vor kurzem seufzend verkündet, "wir müssen hart trainieren." Echte Girl Power wäre gewesen, den ersten Falten, Dellen und sonstigen Verfallserscheinungen gelassen gegenüber zu stehen. "Feminismus im Barbie-Puppen-Format" hat der "Stern" einmal über die Spice Girls geschrieben. Aber eigentlich ist es noch nicht einmal das.