Sonnenobservatorium von Goseck Sonnenobservatorium von Goseck: Versammlung am Bannkreis aus der Steinzeit

Goseck/MZ. - Ein halbes Dutzend Experten der Vorgeschichte, der Archäologie und der Astronomie standen am Donnerstag auf Burg Goseck und einem Acker am Ortseingang einer vielfachen Überzahl in- und ausländischer Medienvertreter gegenüber. Es gab Argumente im Zehnerpack für Thesen und Deutungen zum jüngsten archäologischen Aufreger der Region.
Nicht nur soll bewiesen sein, dass die Ringgrabenanlage, die bereits vor Jahren aus der Luft fotografiert wurde, das älteste bekannte Sonnenobservatorium der Menschheit ist. Vielmehr steht sie nach Ansicht der Fachleute am Beginn einer fortdauernden Tradition der Himmelskunde in der Region, die mit der "Himmelsscheibe von Nebra" ihren Höhepunkt findet.
Mithin ist die Rede von 3000 Jahren einer vorgeschichtlichen Wissenschaft, wenn die Datierung des Kreisgrabens von Goseck zutrifft. Die Grundlage dafür fördert, der Gluthitze trotzend, eine Schar von Studenten des Instituts für prähistorische Archäologie der Universität Halle zu Tage. Angeleitet vom Archäologen und Institutsdirektor Francois Bertemes kratzen sie das Füllmaterial aus zwei konzentrischen Ringgräben frei. Darin waren einst Palisaden eingelassen, die zusammen mit dem äußeren Wallgraben die Architektur der Anlage bildeten. Nach Norden, Südwesten und Südosten öffneten sich drei Tore in den Ring.
Aus dem Füllmaterial kommen Keramikscherben zum Vorschein. Mit ihrem Stilmerkmal des "Stichband"-Ornaments eröffnen sie für die Wissenschaft den Zeithorizont von etwa 5000 bis 4800 vor Christus. Alle anderen rund 180 Rondell-Anlagen in Europa, ob von astronomischer Bedeutung oder nicht, gelten als jünger.
Das Institut will in einer Lehrgrabung den Ring in den kommenden vier Jahren komplett freilegen und millimetergenau vermessen. Es wäre damit die am besten dokumentierte aller Kreisgrabenanlagen. Sie böte den Thesen von den astronomischen Zusammenhängen dieser Monumente eine detailgenaue Basis. Bisher hat sich die Arbeit auf eines der drei Tore konzentriert. Aber während diese für die Deutung als Observatorium von Belang sind, lädt eine andere Sorte Bodenfunde den Ring von Goseck mit der Aura des Mystischen auf. Jedenfalls haben die Knochenreste aus Schächten innerhalb des Rings Bertemes offenbar davon überzeugt, eine Stätte von Kulthandlungen entdeckt zu haben, die im Tier- und Menschenopfer gipfelten.
Was immer im Rundbau vor sich ging, er beherrschte eine kilometerweit ausgedehnte Landschaft. In der Vorzeit, glaubt Bertemes, lagen dort verstreute Siedlungen, für die der Ring ein gesellschaftlicher und kultischer Mittelpunkt war.
Deren Ursprung liegt für den Bochumer Astronomen Wolfhard Schlosser in der Bestimmung von Gestirnsläufen, die für Aussaat- und Erntezeiten wesentlich waren. Dies sind die Sommer- und Wintersonnwende (21. Juni, 21. Dezember) sowie die Tag- und Nachtgleiche (Frühlings- und Herbstanfang). Goseck fällt aus dem verbreiteten Muster dieser Anlagen, da es statt zwei oder vier Toren deren drei besaß - die "Visierlinien" für die Beobachtung der Sonnen- oder Mondauf- und -untergänge bildeten. Damit war nicht nur die Fähigkeit zu einer Drittelung des Kreises vorausgesetzt, sondern auch zur Einnordung der Anlage.
Goseck war allein zur Wintersonnwende ausgerichtet. Am 21. Dezember konnte man durch das südöstliche Tor den Sonnenaufgang, durch das südwestliche Pendant den Untergang verfolgen. Der Winkel von 82 Grad zwischen den "Visierlinien" entspricht dem Sonnenlauf in diesen Breitengraden und deckt sich mit dem Winkel der Horizontlinien, die mit den Goldblechen an den Rändern der "Himmelsscheibe" markiert ist. Doch dort taucht mit der "Sonnenbarke" zum ersten Mal ein Element kosmologischer Sicht auf den Himmel auf: Dass dort also nicht nur Naturkräfte, sondern auch Götter walten.
Ausstellung zur prähistorischen Astronomie ab Oktober 2004 im Museum für Vorgeschichte in Halle.l
