Sonnenbarke kommt zur Unstrut
Wangen/Nebra/MZ. - Zuletzt waren es vor allem Gründe aus dem Feld des Tourismus, die den Ausschlag gaben. Nun wird das "Erlebniscenter Himmelsscheibe" am Fuß des Mittelbergs in Wangen bei Nebra - anders als im Ergebnis des Architekturwettbewerbs - in Form einer goldenen Sichel gebaut. (MZ vom 18. und 29. Januar).
"Bei großen Besuchergruppen flexibler zu nutzen", "besser geeignet für Behinderte", "in seiner Form die Neugier weckend, einladend", "einfacher in Unterhaltung und Pflege", "im Raumprogramm mehr Möglichkeiten für Präsentationstechnik": So fasste der Landrat des Burgenlandkreises, Harri Reiche (parteilos), seine Sicht auf die jetzt gefällte Entscheidung zusammen.
Später Durchmarsch
Reiche ist als Vorstandsvorsitzender des Vereins Naturpark Saale-Unstrut-Triasland der Bauherr und spricht somit das letzte Wort. Gestützt wird der Beschluss aber auch vom Landesarchäologen Harald Meller, der die inhaltliche Bespielung des Gebäudes verantwortet.
Voraussichtlich ab Sommer 2006 soll darin die Geschichte und Bedeutung der Scheibe nebst anderen Erkenntnissen zur Archäologie der Region populärwissenschaftlich aufbereitet werden. Auch der Fundort der Scheibe selbst wird mit einem Aussichtsturm und anderen architektonischen Mitteln inszeniert, wofür derzeit ein weiterer Wettbewerb läuft.
Die Entscheidung bedeutet den späten Durchmarsch für ein Architektenduo aus Zürich , Barbara Holzer und Tristan Kobler, die mit dem drittplatzierten Entwurf ihrem Ruf als versierte Ausstellungsgestalter entsprachen. Tatsächlich wird man ihren Bau in erster Linie um seiner Qualitäten würdigen, im Innern imposante Licht- und Klangspektakel zuzulassen. Vom Foyer geht der Blick über eine freitragende Treppe in den Ausstellungssaal auf der Talseite, der über eine Brücke mit einem ebenso großen Raum zur Bergseite verbunden ist. An beiden Enden öffnen wandfüllende Fenster den Ausblick in die Landschaft. Die Foyerebene setzt sich mit einem Café fort, das zu einer Aussichtsterrasse aufschließt.
Plakative Wirkung
Mit dieser überraschenden Wende bestätigt sich aber nur, dass im Auswahlprozess kein fraglos überzeugender Entwurf zu finden war. So muss jetzt der Turmbau, mit dem das Büro Sacker aus Freiburg im Breisgau den ersten Preis gewann, dafür büßen, dass er zwar atmosphärisch die Landschaft veredelte, im Detail aber den touristischen Nutzen relativierte und zu Kompromissen zwang. Die Zürcher Sichel wiederum macht eine Geste von "Schaut her, hier bin ich" und erinnert nicht umsonst an die "Info-Box", die kurzlebige Attraktion vom Potsdamer Platz.
Temporär und metropolitan sind aber wohl kaum angemessene Qualitäten für die Landschaft an der Unstrut und ihre von Geschichte und Sagen durchdrungenen Aura. Das Motiv des Baus ist die "Himmels-" oder "Sonnenbarke" auf der Himmelsscheibe von Nebra, übersetzt in eine notgedrungen vergröbernde Großplastik.
Die plakative Wirkung der Goldmetallumhüllung wollen die Architekten, so Meller, mit einem reizvollen Prägemuster auf eloxiertem Aluminium abmildern. Doch dieser Bau will Lockruf sein, keine ätherische Eleganz: Das Schweben der "Barke" wird vom schwerfälligen Sandsteinsockel konterkariert. So macht ein abgelegener Landstrich Bekanntschaft mit Event-Architektur. Möge sie die Hoffnungen erfüllen, die in sie gesetzt werden.