"Sonnenallee"-Regisseur wird 60 "Sonnenallee"-Regisseur wird 60: Was in Leander Haußmanns Stasi-Akte zu lesen ist

Halle (Saale) - Ostalgie? Das will er sich nicht vorwerfen lassen. Über das Wort, das ihm im deutschen Feuilleton mit bedenkenloser Sicherheit angeheftet wird, kann sich Leander Haußmann „wahnsinnig“ aufregen. „Ich finde es diskriminierend, dumm, und in seinem Nachgeplappertwerden ist es auch ekelhaft“, sagte der Regisseur im Dezember der Süddeutschen Zeitung.
„Nostalgie ist dann offenbar reserviert für den Westdeutschen, der darf das haben, ne? Und die Ostalgie ist dazu da, dich herabzuwürdigen“, sagte der Mann, der mit Kinokomödien wie „Sonnenallee“ (1999) und „NVA“ (2005) die real vergangene DDR dem Gelächter aussetzte.
Mit „Ostalgie“ - im Sinne einer politisch verklärenden Wehmut - haben beide Filme überhaupt nichts zu tun. Nicht die Sehnsucht nach einer DDR, wie sie hätte gewesen sein können, wenn sie nicht die DDR gewesen wäre, ist das Thema dieser Filme, sondern das Beschwören einer inneren Jugend, die nicht enden muss, wenn die äußere vergeht.
Freiheit und Schönheit
Freiheit, Schönheit und eine natürliche Opposition gegenüber jeglicher Herrschaft, das sind die Werte, die Haußmann feiert und die in der DDR alles andere als selbstverständlich waren. Dass Haußmann das, was er in Szene setzte, tatsächlich kennt, beschert seinen Filmen Momente von umstandsloser Intensität. Über einen Film wie „NVA“ ließe sich durchaus semesterlang streiten, aber nicht über den anarchischen Lebensmut, der sich in seinen jungen Darstellern mitteilt.
Der ist denn auch der Kern der Geschichte des 1959 in Quedlinburg geborenen, in Berlin aufgewachsenen und lebenden Künstlers Leander Haußmann, der an diesem Mittwoch 60 Jahre alt, nein, jung wird. Aus seiner Sicht mit einigen Blessuren.
Haußmann, der als Theater-Regisseur von dem FAZ-Kritiker Gerhard Stadelmeier als „Deutschlands fröhlichste Regie-Null“ verspottet wurde, gefällt sich in der Rolle des Geächteten. Seine 2013 veröffentlichte Autobiografie nannte er „Buh“. So sieht er sich selbst: als Buh-Präsident eines Landes, in dem Heiterkeit unter dem Verdacht der Unseriosität steht. Sein Berufsleben schildert Haußmann als Serie von Pleiten, Pech und Pannen. Heute darf gesagt werden: Das Gegenteil ist der Fall.
Nach einer Druckerlehre studierte Haußmann an der Schauspielschule Ernst Busch. Sein Vater, der Schauspieler Ezard Haußmann, wurde von der Stasi bespitzelt und bekam nach seinem Protest gegen die Niederschlagung des Prager Frühlings zehn Jahre Berufsverbot.
Stasi führte Akte über Leander Haußmann
Auch über seinen Sohn gibt es eine Stasi-Akte. Darin heißt es: „ausgeprägte Kantinenbegabung“, „labiler Gewohnheitslügner“, „verteidigt seine Charakterschwächen ständig mit sophistischen Selbstrechtfertigungen“. „Stimmt alles“, sagte Haußmann später. „Gleichzeitig ist es eine allgemeingültige Definition für den Beruf des Regisseurs.“
In dem ging er seinen Weg. Vor dem Mauerfall spielte er - vor allem unter der Regie von Frank Castorf - in Gera, inszenierte selbst in Parchim. Mit Mitte 30 wurde Haußmann Chef des Schauspielhauses Bochum, damals Deutschlands jüngster Intendant. Sein Spielzeitmotto: „Viel Spaß!“. Im Jahr 2000 begann die freie Regie-Karriere. Haußmanns Kino-Repertoire ist lang: „Herr Lehmann“, „Hotel Lux“, „Robert Zimmermann wundert sich über die Liebe“, „Das Pubertier“ und die poetisch entschleunigte Farce „Hai-Alarm am Müggelsee“ gehören dazu.
In der DDR hatte Haußmann gelitten am bedeutungshubernden Tiefsinn auf den staatlichen Bühnen. „Mir ging damals schwer auf den Sack, wie berühmte, doppeldeutige Klassiker-Zitate immer als Regimekritik eingesetzt wurden“, bekannte er 1995. „Sagte also Mephisto im ,Faust’: ,Wenn wir uns drüben wiederfinden’, lachten alle. Das war mir zu blöd.“ Haußmann wählte die direkte humorvolle Ansprache. Für ihn steht fest: „Die Komödie ist das Trojanische Pferd, in dem sich die Tragödie verbirgt.“
Stasikomödie kommt
Im September beginnen die Dreharbeiten zu „Leander Haußmanns Stasikomödie“, die zur Zeit als Schauspiel in der Volksbühne zu sehen ist. Der Vorwurf der DDR-Verharmlosung ist abonniert, was absurd scheint in einer Gesellschaft, in der die Mitgliedschaft in der SED, die ja die Spitzeltätigkeit forderte und verantwortete, als Kavaliersdelikt gilt. „Alles in der DDR war von Angst untermauert“, sagte Haußmann vor Jahren. „Noch heute träume ich manchmal, dass ich unschuldig ins Gefängnis komme.“ Ein Umstand, der ihm nicht die Ansage erspart: „Die Charaktereigenschaften von Stasioffizieren und Spitzeln sind nicht erfunden worden in der DDR.“
Es fällt auf, dass Haußmann nie mit einer Partei gegangen ist. Er ließ sich nicht vorspannen. Nicht von der Linken, nicht von der CDU. Auch nicht von den Grünen, die er für kunstfeindlich hält. Sein Humor geht nicht mit der Herrschaft. Frank Castorf sagte es dem MDR dieser Tage so: Haußmann habe wohl die Möglichkeit eines Vogels, nicht jede Belästigung der Wirklichkeit an sich herankommen zu lassen. „Er lebt als ein freier Mensch.“ (mz)
