Sonderling mit Spürnase: Vargas' neuer Krimi mit Ermittler Adamsberg
Berlin/dpa. - Jean-Baptiste Adamsberg, Chef der Mordbrigade des 13. Pariser Arrondissements, ist die französische Antwort auf die Actionhelden amerikanischer Krimis. Adamsberg ist ein sensibler Sonderling - einer, der nicht einmal fähig ist, die Sitzungen in seiner Abteilung zu leiten, dafür aber über außergewöhnliche Instinkte verfügt, die noch immer die Wahrheit ans Licht befördert haben.
Der Hauptfigur in Fred Vargas' neuem Romans «Die dritte Jungfrau» gehört die ganze Sympathie der Leser, auch wenn sie den melancholisch-verschrobenen Enkel des «Kommissars Maigret» hin und wieder einmal kräftig schütteln wollten. Denn der Poesie und Fantasie, den punktgenauen Dialogen und überraschenden Wendungen eines Vargas-Krimis vermag sich wohl niemand zu entziehen.
Zwei Männer mit aufgeschlitzten Kehlen und Erde unter den Fingernägeln werden entdeckt, und während die Drogenfahndung hinter den Morden einen simplen Krieg unter Dealern vermuten, ahnt Adamsberg kompliziertere Zusammenhänge. Seine Spürnase führt ihn und seine etwas chaotische Brigade in die Normandie, denn dort wurde - fast genau wie kurz zuvor in Paris - das Grab einer jungen Frau aufgebrochen.
«Die Toten», so sagt einmal sein Nachbar, «gehen nicht fort, wenn sie ihr Leben nicht zu Ende gelebt haben.» Und so sieht sich Adamsberg von Schatten aus der Vergangenheit umgeben, die zu verscheuchen ihn viel Kraft kostet. Denn außer den Mordfällen hat er auch noch mit der Entfremdung von seiner Geliebten Camille, mit seiner neuen Rolle als Vater und mit dem unausgesprochenen Groll seines neuen Mitarbeiters Veyrenc fertig zu werden, mit dem er die Heimat und die Erinnerung an ein schreckliches Erlebnis teilt.
Vargas führt in ihrem zehnten Krimi wieder eine schier unglaubliche Handlung zu einem guten Ende. «Mehr noch poetisch denn realistisch» - so schreibt «Le Monde» - stehen ihre Werke in scharfem Kontrast zum so genannten schwarzen Kriminalroman. Immer wieder führt die Autorin in die Vergangenheit, was angesichts ihres zweiten Berufs als Archäologin nicht verwunderlich ist.
Wer einfache Krimikost gewohnt ist, hat an den Vargas-Werken allerdings lange zu kauen, denn die Pariserin schreibt detailverliebt und verlässt die Handlungsebene gern zu längeren Ausflügen in die Innenwelt ihrer kauzigen Helden, «die alle ein wenig Loser, ein bisschen einsam, nicht immer nur sympathisch, aber ungeheuer lebendig sind.» («Libération»). Besonders dies macht ihre rätselhaften Märchenkrimis so liebens- und lesenswert.
Fred Vargas
Die dritte Jungfrau
Aufbau-Verlag, Berlin
474 S., Euro 19,95
ISBN 13: 978-3-3510-3205-0