Lächelnder Gentleman So war das Konzert von Roland Kaiser in Leipzig

Leipzig - „Oh, Joana / Dein Lächeln ist Fordern und Flehen“. Oder wie wäre es mit „Ich glaub, es geht schon wieder los / Das darf doch wohl nicht wahr sein“? Ja, Roland Kaiser hat über 90 Millionen Tonträger verkauft.
Ein Grandseigneur des deutschen Schlagers, das Herz am sozialdemokratischen Fleck. „Inhumane Flüchtlingspolitik fördert weder Verständnis noch Toleranz und ist ein Nährboden für weitere Ab- und Ausgrenzung. Ich stehe heute hier, um meinen Standpunkt zu vertreten und meiner Hoffnung Ausdruck zu verleihen, dass kulturelle und ethnische Vielfalt auch eine Chance in sich birgt.“
Roland Kaiser bringt eine klare politische Kante ins Schlager-Business
So couragiert sprach Kaiser im Januar 2015 in Dresden. Klare politische Kante im Schlager-Business. Das ist gegenwärtig so selten wie Schnee im Juli. Der 64-jährige Kaiser, der mit bürgerlichen Namen Keiler heißt, stellte am Montagabend in einer gut gefüllten, aber nicht ausverkauften Arena Leipzig sein neues Album „Auf den Kopf gestellt“ vor. Die Show wirkt in Zeiten von XXL-Schlagerpartys mit Klatschpappen und Lichtschwertern angenehm altmodisch und minimalistisch, ein paar heftige Disco-Beats, Wolkenkratzer und Sternenhimmel auf der Videoleinwand schließt das nicht aus.
Kaiser ist ein lächelnder Gentleman mit Haltung, kein dauergrinsender Springinsfeld. Seine Lieder rasen nicht atemlos durch die Nacht, gelegentlich gehen sie sogar als weise Meditationen durch. Ist nicht „Manchmal möchte ich schon“ die deutsche Verzichtshymne schlechthin? Wie heißt es dort? „Du verlierst den Mann, ich verlier’ den Freund.“ Deswegen wird dem Begehren nicht stattgegeben. Oder doch?
Roland Kaiser in Leipzig: Fingerschnipsend, tänzelnd im schicken Anzug
Kaiser schürt auch auf dem neuen Album den Konflikt zwischen Egoismus und Sittlichkeit, vom Glorifizieren eines Hedonismus ist er weit entfernt. Oder wie er in die regelmäßigen Standing Ovations hineinplaudert: „Wann ist der Mensch wirklich frei? Nur die Gedanken, Träume und Gefühle können frei sein.“
Fingerschnipsend, tänzelnd im schicken Anzug, als der Zugang zur Bühne freigegeben wird, stürmt das Publikum herbei. Kaisers Lippen umspielt dabei ein leises, zutiefst zufriedenes Lächeln, großartig, dass die Videoleinwand diesen Moment einfängt. Natürlich gibt es die Hits. Ja, die Jugend in den Händen zu halten ist das Glück „für das man keinen Namen kennt“ (Santa Maria).
Und natürlich geht es um den Ausbruch aus der eigenen, kleinen Welt durch den anderen Menschen und natürlich klingt das Lied „Alles was du willst“, das davon handelt, dass jeder noch eine Chance bekommt, wie ein Wahlslogan für die Schulz-SPD. So ein Kaiser-Konzert besticht aber auch durch leise Töne, viele Paare tanzen versunken in der schunkelnden Menge, die quer durch alle Altersgruppen zum textsicheren Chor wird.
Roland Kaiser engagiert sich auch im Bereich Organspende
Kaisers soziales Engagement für Kinder, selbst ist er als Vollwaise aufgewachsen, wurde seit seiner Lungentransplantation 2010 um das Thema Organspende erweitert. Aus dem Händeschütteln mit dem Publikum und den zahlreichen Danksagungen ist eine Demut, noch auf Tournee gehen zu können, zu entnehmen.
Zwischendrin gibt es Ratschläge, der Sänger Roland Kaiser kommt als vertrauter Freund daher: „Wenn einer gehen will, ist er meist schon seit längerer Zeit weg.“ Fast am Ende zeigt noch einmal ein gekonntes Udo Jürgens-Medley die Traditionslinien an: „Ein ehrenwertes Haus“ des Schlagers kann ein stilvolles Ganzes sein, in dem auch wilde Ehen und Schwarze Platz haben. So einer wie Roland Kaiser beweist das immer noch. Chapeau! (mz)