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Sexualität Sexualität: In Berlin-Kreuzberg gibt es jetzt ein Schwulen Museum

06.12.2004, 14:26
Eine Schlagzeile der Berliner Boulevardzeitung «BZ» aus dem Jahr 1974 wird im Schwulen Museum in Berlin aufgehängt. Die bundesweit einzigartige Ausstellung, die einen Überblick zur Geschichte der Homosexualität bietet, wird am Montag (6. Dezember 2004) von Berlins Regierendem Bürgermeister Klaus Wowereit eröffnet. (Foto: dpa)
Eine Schlagzeile der Berliner Boulevardzeitung «BZ» aus dem Jahr 1974 wird im Schwulen Museum in Berlin aufgehängt. Die bundesweit einzigartige Ausstellung, die einen Überblick zur Geschichte der Homosexualität bietet, wird am Montag (6. Dezember 2004) von Berlins Regierendem Bürgermeister Klaus Wowereit eröffnet. (Foto: dpa) dpa

Berlin/dpa. - Wowereit, der nicht nur wegen seiner Partystreifzüge, sondern auchwegen seines angeblich zu großen Engagements für die Schwulen immerwieder kritisiert wird, wollte am Montagabend die Eröffnungsredehalten. «Selbstbewusstsein und Beharrlichkeit» heißt die Ausstellung,die 200 Jahre Geschichte dokumentiert und zeigt, wie sichHomosexuelle emanzipiert haben: von zarten Anspielungen in der Kunstüber den Kampf gegen den Paragrafen 175, der «Unzucht zwischenMännern» unter Strafe stellte, über Flower Power bis hin zu denHausbesetzern der 80er Jahre, bei denen auch Schwule mitmischten.

Es dominieren Bilder, Fotos und Texttafeln. Die Ausstellung mitrund 800 Exponaten zeigt das homosexuelle Leben als ein StückKulturgeschichte und ist nicht besonders schrill, sieht man vonTravestie-Kostümen und einigen Fotos mit knackigen Hintern ab. Gleicham Anfang ziert ein «Freundschaftsbecher» von 1740 eine Vitrine,daneben hängen Bilder mit Motiven der Knabenliebe. Damals ging dieDarstellung von Homosexualität den Umweg über die Antike, erklärtProjektleiter Karl-Heinz Steinle dazu. Nebenan erinnert ein Modell andas 1919 von Magnus Hirschfeld in Berlin gegründete Institut fürSexualwissenschaft, das nicht nur über das «dritte Geschlecht»aufklären wollte.

In Berlin erschienen auch die erste Schwulen-Zeitschrift («DerEigene») und der erste Homosexuellen-Film der Welt («Anders als dieandern», 1919), der in der Schau in Ausschnitten gezeigt wird. An denWänden dokumentieren Postkarten, dass es schon damals Drag-Queensgab, die seinerzeit Damen-Imitatoren hießen. Einen wichtigen Platznehmen die «Goldenen Zwanziger Jahre» ein, in denen an der SpreeDutzende einschlägiger Etablissements lockten. Natürlich fehlen auchder britische Schriftsteller Christopher Isherwood und seinelegendäre Vorlage zu «Cabaret» nicht. Mit den Nationalsozialistenfand diese blühende Subkultur ein jähes Ende und erwachte erst wiedervollständig in den frühen 80er Jahren, wie Steinle meint.

Dass es mit dem guten Ton und der Toleranz für ein Andersseinselbst 1983 noch nicht so weit her war, zeigten die empörtenReaktionen auf eine Ausstellung über homosexuelle Männer und Frauenin Berlin von 1850-1950. Immerhin lockte die Schau «Eldorado» damalsauch 45 000 Besucher an. Zwei Jahre später wurde das Schwule Museumgegründet. Mit Wechselausstellungen wie zu Marlene Dietrich oder zuMichel Foucault landete das kleine Haus in einem KreuzbergerHinterhof echte Publikumserfolge und zog ganze Schulklassen an. Dassoll auch so bleiben, heißt es. Die neue Dauerausstellung endet 1990,elf Jahre vor Wowereits mittlerweile sprichwörtlichem «Ich binschwul, und das ist auch gut so», das noch fehlt. Aber vielleichtwerden es die Ausstellungsmacher irgendwann ergänzen.