Serie Serie: Ein Racheengel in Washington
Francis Underwood ist ein Mann, der seine Zähne schon in saftige Schälrippchen rammt, wenn im Oval Office noch nicht einmal der Kaffee ganz durchgelaufen ist. Ein Mann, der den Tag nur übersteht, wenn er um 7.30 Uhr morgens sein Fleisch bekommt, frisch vom Grill. Ein Mann, für den der Imbiss unweit des Weißen Hauses auch außerhalb der regulären Öffnungszeiten aufmacht. Ein Mann, für den serviert wird, ganz egal wann.
Das ist einer der vielen Dinge, die funktionieren müssen, wenn der politische Betrieb Washingtons laufen, wenn das Kartenhaus nicht in sich zusammenfallen soll – das lehrt „House Of Cards“ gleich zu Beginn. Und als Zuschauer kapieren wir das besser direkt und stellen keine Fragen: auch, wenn es ein bisschen braucht, sich an den harten Politik-Sprech zu gewöhnen, an die schnellen Szenenwechsel, die vielen zeitlichen Sprünge. Das Polit-Drama von David Fincher, im Februar 2013 erstmals beim US-Internetkanal Netflix ausgestrahlt, entstand als erweiterte Adaption der gleichnamigen BBC-Miniserie – die wiederum auf dem Roman „Ein Kartenhaus“ von Michael Dobbs basiert. Es gibt bisher 26 Episoden in zwei Staffeln, Fortsetzung folgt.
Als Zuschauern bleibt uns nichts anderes übrig, als ihm zu vertrauen: dem machtgeilen Francis Underwood (Kevin Spacey), einem erfahrenen Kongressabgeordneten der Demokratischen Partei, der im Zentrum der Serie steht. An ihm zieht sich die Geschichte auf, an ihm bleibt die Kamera kleben, sie stellt ihm nach, im Beruflichen und Privaten. Es ist ein Leben, das auf einem ungeheuerlichen Fundament aus Intrigen und Heimtücke errichtet ist – Francis’ Job im Repräsentantenhaus ebenso wie seine Ehe mit Claire (Robin Wright). Eine Geschichte, die mehr als nur einen Eindruck von der dunklen Seite der Macht vermittelt. Nein, eher zieht Francis den Zuschauer ungefragt mit hinein, entführt ihn in die Furcht erregenden Abgründe seiner eigenen Besessenheit.
Gleich in der ersten Folge, als Francis der eigentlich versprochene Posten des Außenministers vorenthalten wird, sinnt er auf Rache. Berechnend, skrupellos, auf bedrohliche Weise schart er Berater und Gleichgesinnte um sich, vergrößert seinen politischen Einfluss. Seine Frau Claire, die in ihrem Leben ebenfalls nur durch Gewissenlosigkeit erfolgreich wurde, unterstützt ihn dabei. Was anfangs aussieht wie ein durchdachter Plan der beiden Wahnsinnigen, entpuppt sich nach und nach als brüchiges Konstrukt, dessen Risse und Löcher der hochmütige Francis immer wieder stopfen muss. Er instrumentalisiert dafür unter anderem Zoe Barnes (Kate Mara), eine junge und selbstbewusste Journalistin, die sich durch den engen Kontakt zu Francis einen Karriereschub erhofft. Folge um Folge zitiert Francis Zoe an unbekannte Orte. Mal in Kellerlöcher, mal in Hinterhöfe, immer ist es dunkel und immer weht von irgendwoher die kalte Angst.
Erstaunlich, bei all der Verlogenheit: Als Zuschauer sympathisiert man mit Francis. Weil er Ballerspiele auf seiner Playstation zockt, um sich abzuregen – und dabei mit verkrampftem Gesicht wie ein kleiner Junge vor dem Fernseher kauert. Weil er zwar selbstgefälliges Zeug redet, aber trotzdem immer Recht hat – und weil er uns zeigt, dass Arroganz charmant sein kann. Und letztlich, weil er so nett ist, uns immer wieder zwischendurch zu erklären, was er da eigentlich tut und wie er denkt.
Wenn Claire ihm einen frischen Anzug raus legt, dreht er sich zur Kamera, schaut uns tief in die Augen und raunt: „Deswegen liebe ich diese Frau.“ Und wenn er von seinen Kollegen daran erinnert wird, dass Politik auch etwas mit dem Glaube an die eigenen Wähler zu tun hat, entgegnet Francis: „Ideologie ist etwas für akademische Schlappschwänze. Nichts für mich.“ Uns auf dem Sofa Hockenden bleiben die Hände gebunden bei solch vor Testosteron strotzenden Aussagen, wir können nicht helfen, sind allein mit unserer Gänsehaut und diesem Gedanken: Bitte, lass’ es in Washington nicht wirklich so zu gehen.
Am Ende muss Francis aufpassen, dass er im Würgegriff der Macht nicht erstickt. Dass er im Spiel mit den Absichten nicht den Überblick verliert. Und auch, dass er es sich nicht mit uns verscherzt: Seinen wahren Charakter zeigt er nämlich schlussendlich nicht beim Ertragen seiner Niederlagen – sondern beim Genießen seiner politischen Triumphe.