Schweiz Schweiz: Spektakulärer Kunstraub dauerte nur drei Minuten
Zürich/dpa. - Drei bewaffnete und maskierte Täter haben am Sonntag in Zürich vier berühmte Ölgemälde im Wert von umgerechnet 113 Millionen Euro entwendet. Knapp eine halbe Stunde vor Schließung des Museums der Sammlung Bührle im Nobelvorort Seefeld drangen dieTäter in die Villa ein und zwangen das Museumspersonal mitWaffengewalt, sich auf den Boden zu legen, wie die Polizei in Zürich am Montag berichtete. Die gezielte Aktion dauerte nur drei Minuten;dann flüchteten die Täter bislang unerkannt in einem Auto.
Gestohlen wurde nach Angaben der Polizei Claude Monets «Mohnfeldbei Vétheuil», Edgar Degas «Ludovic Lepic und seine Töchter», Vincentvan Goghs «Blühender Kastanienzweig» und Paul Cézannes «Der Knabe mitder roten Weste». Sie gehörten zur Sammlung des 1956 gestorbenenGroßindustriellen Emil Georg Bührle. Erst vor fünf Tagen hattenKunstdiebe zwei Picassogemälden im Wert von drei Millionen Euro inPfäffikon südlich von Zürich geraubt. In beiden Fällen fehlen vonallen Bildern sowie von den Tätern bislang jede Spur.
Bei der brutalen Aktion am Sonntag gingen zwei der mit Sturmhaubenmaskierten Täter in einen Ausstellungssaal im Erdgeschoss undentwendeten die Gemälde, die zu den wertvollsten derSammlung gehören. Danach flüchteten sie mit einem weißen Fahrzeug.Zur Tatzeit waren laut Polizei 15 Besucher anwesend. Für Hinweisezur Ergreifung der Täter wurde eine Belohnung von 100 000 Franken(62 500 Euro) ausgesetzt.
Die Sammlung Bührle ist in einem Wohnhaus aus dem Jahr 1886untergebracht. Für die Täter war es kein Problem, die Kunstschätzezielgerecht auszuwählen. Das Museum wirbt mit einem virtuellenRundgang, bei dem die einzelnen Bilder angesehen werden können. Derin Zürich lebende Industrielle Emil Georg Bührle (1890-1956), derunter anderem Kanonen herstellte, hatte im 20. Jahrhundert eine derwichtigsten privaten Sammlungen europäischer Malereizusammengetragen. Im Mittelpunkt stand dabei die Malerei desfranzösischen Impressionismus und Nachimpressionismus.
Der Sicherheitsstandard im Gebäude der Sammlung entspreche denheutigen Anforderungen, hieß es am Montag seitens der Polizei. Nachbisherigen Erfahrungen mussten die Verantwortlichen «nicht mit einemsolchen Überfall rechnen», sagte Sprecher Marco Cortesi. Lukas Gloor,Direktor der Bührle-Sammlung, zeigte sich erleichtert, dass niemandseiner Mitarbeiter zu Schaden gekommen sei.
Nach dem erneuten Kunstraub soll die Picasso-Ausstellung imSeedamm Kulturzentrum in Pfäffikon nun doch geschlossen werden. Derbewaffnete Raubüberfall bei Zürich sei «eine andere Kategorie derGewalt», sagte der Direktor des Sprengel Museums Hannover, UlrichKrempel, am Montag. Angesichts der neuen Situation bestehe «Gefahrfür Leib und Leben». Die am Mittwoch geraubten Picasso-Gemälde warenLeihgaben des Sprengel Museums. Zunächst hatte es geheißen, die Schauwerde mit erhöhten Sicherheitsvorkehrungen fortgesetzt.
Der Kunstraub in Zürich gilt schon jetzt als genau so spektakulärwie der bewaffnete Überfall 2004 auf das Munch-Museum in Oslo. Dabeihatten zwei Männer das berühmte Gemälde «Der Schrei» von Munch ausder Nationalgalerie gestohlen. Das auf bis zu 51,5 Millionen Eurogeschätzte Werk wurde etwa drei Monate später unversehrtsichergestellt, die Täter zu hohen Gefängnisstrafen verurteilt.
Die Kunstdetektivin Ulli Seegers sagte im Schweizer Rundfunk,gegen diese Art von Raub könnten sich die Museen nicht absichern.Seegers leitet in Köln die weltweit größte Datenbank fürKunstdiebstähle. Auch nach dem Raub in Zürich würden nunAuktionatoren, Versicherungen und Museen weltweit alarmiert. «DieBilder werden dadurch unverkäuflich», sagte Seegers, die davonausgeht, dass Lösegeld gefordert wird.
Vor knapp einem Jahr war zu Ostern 2007 aus einer Villa in Genfeine Sammlung afrikanischer Kunst sowie ein Bild des deutschenKünstlers Joseph Beuys im Wert von 1,5 Millionen Euro gestohlenworden. Dennoch ist Kunstraub in der Schweiz, wo die meistenMilliardäre auf der Welt leben, kein alltägliches Delikt. Vielewertvolle Kunstschätze lagern auch sicher in den Tresoren derGroßbanken in Zürich.