Schriftsteller Schriftsteller: Peter Handke wird 70 Jahre
Halle (Saale)/MZ. - Zu einer Zeit, als der berühmteste sorbische Schriftsteller, Jurij Brezan (1916-2006), in Folge seiner DDR-Staatsnähe immer weniger Öffentlichkeit fand, pilgerte also der um mehr als 25 Jahre jüngere Peter Handke (Foto) über eine Distanz von 1 000 Kilometern hin zu diesem Kollegen. Nach Horni Hajnk, ein Flecken im Landkreis Kamenz. Fasziniert von der Kultur der sorbischen Minderheit, die sich nicht zu Unrecht als "slawische Indianer" bezeichnet, und von der Prosa des "Krabat"-Autors Brezan. So saß Handke, der Enkel eines Serben, mit dem uralten Sorben auf dessen Hof unter Birken und Sauerkirschbäumen. Brezan erzählte beiläufig davon, als wären diese Treffen selbstverständlich.
Aber doch nur für einen so ganz und gar eigenständigen, von der Mehrheitsgesellschaft unabhängigen Geist wie Peter Handke. Wie kaum ein zweiter deutschsprachiger Schriftsteller der Gegenwart hat sich der in Kärnten geborene Sohn eines deutschen Soldaten und einer Österreicherin durchweg als ein Anwalt des - im besten Sinne - ästhetischen und weltanschaulichen Eigensinns erwiesen. Immer war dieser Autor ein Gegenüber: Von seiner legendären "Publikumsbeschimpfung" (1966) an bis zu seiner Streitschrift "Gerechtigkeit für Serbien" (2005). Stets zieht es den Schriftsteller, der "Die Angst des Tormanns beim Elfmeter" (1970) beschrieb, auf die Seite der Minderheiten, der vom Diskurs der Macht Abgehängten. Dabei ist Handke, dieser weltfromme Wanderer ("Mein Jahr in der Niemandsbucht") durchaus kein verblasenes Seelchen, sondern ein Autor, der aggressiv und polemisch auftritt, wenn es die Sache erfordert.
"Und wer war ich?", fragt Handke in seinem jüngsten Buch, dem "Versuch über den Stillen Ort" (der tatsächlich das "Örtchen" meint und den "Ort"). Und antwortet: "Gar nicht so einzelgängerisch und außenseiterisch, wie ich mich immer wieder geglaubt hatte. Ein bißchen sonderbar, ja, aber es gab Sonderbarere." Einer, der raus will aus der öffentlichen Verstummtheit, dem Sprachverlust. Der von sich sagt: "Ich muss kurz verschwinden." Handke, ein deutschsprachiger Weltliterat in Paris, der den Literaturnobelpreis noch erhalten wird. Zeit hat er. Heute wird er erst einmal 70 Jahre alt. FOTO: DPA