Schriftsteller Schriftsteller: Einzige Heimat in der Sprache
Madrid/dpa. - Juan Goytisolo ist ein Pendler zwischen den Kulturen. Der spanischeSchriftsteller wuchs in Barcelona auf, lebte im Exil in Frankreich,dozierte in den USA und ließ sich schließlich in Marokko nieder.Seine Werke spiegeln diese reiche Erfahrungswelt wider.
Vor acht Jahren schockte Juan Goytisolo dieLiteraturwelt. «Der blinde Reiter» werde sein letzter Roman sein,verkündete der spanische Schriftsteller 2003. «Ich habe in meinemLeben genug Bücher verbrochen und nicht viel mehr zu sagen»,versicherte er damals bei der Vorstellung des autobiografischgefärbten Werkes. Goytisolo, der als einer der bissigsten spanischenGegenwartsautoren gilt, besann sich zur Freude seiner Leser abereines Besseren. Am 6. Januar wird er 80 Jahrealt.«Der blinde Reiter» war für den aus Barcelona stammenden Goytisoloein persönliches und schwieriges Buch gewesen. Er hatte darin auchden Tod seiner Frau, der französischen Übersetzerin und AutorinMonique Lange, verarbeitet. In dem Roman geht es um einen alten Mann,der verwitwet und in eine schwere Krise stürzt.
Verlust und Schmerz haben für Goytisolos Werk eine wichtige Rollegespielt. Geprägt wurden er und seine ebenfalls als Schriftstellerberühmt gewordenen Brüder José Agustín (1928-1999) und Luis (75) vomTod der Mutter. Sie starb 1938 während des Spanischen Bürgerkriegesbei der Bombardierung Barcelonas durch die Truppen des späterenDiktators Francisco Franco.
Angewidert von dem Regime und Francos Nationalkatholizismus brachJuan Goytisolo 1953 sein Jurastudium ab und wandte sich der Literaturzu. 1954 erschien sein Debütroman, «Juegos de manos» («DieFalschspieler»). Zwei Jahre später ging er ins Exil nach Paris. Schondamals war er wegen seiner sozialkritischen Texte bekannt, in Spanienwurden sie von der Zensur verboten. In Frankreich arbeitete er alsLektor beim Gallimard-Verlag. Er lernte dort auch Monique Langekennen und pflegte Kontakte mit Genet, Duras, Sartre, de Beauvoiroder Hemingway. Später lehrte Goytisolo als Gastdozent in den USA.
Der Titel einer seiner bekanntesten Bücher, «Juan ohne Land»,trifft auch auf das Leben Goytisolos zu. Jahrzehntelang pendelte ermit gelegentlichen Abstechern nach Barcelona zwischen Paris undMarrakesch. Nach dem Tod seiner Frau ließ sich er sich in dermarokkanischen Stadt nieder. Längere Reportage-Reisen führten ihnauch nach Algerien, Israel oder Kuba sowie in Konfliktgebiete wieSarajevo oder Tschetschenien. «Meine einzige Heimat ist die Sprache»,sagte Goytisolo einmal.
Neben Romanen hat er Erzählungen, Reisebücher und Essaysveröffentlicht. Die besondere Vorliebe des Orientexperten ist dieislamische Kultur. Goytisolo lernte Arabisch und adoptierte inMarrakesch drei Kinder, die er in seinem Testament zu seinenUniversalerben erklärte. Als Intellektueller engagiert er sich auchfür den Dialog des Westens mit der arabischen Welt.
Zu seinen bekanntesten Werken zählen «Trauer im Paradies» (1955)sowie die Trilogie «Identitätszeichen» (1966), «Rückforderung desGrafen Don Julian» (1970) und «Juan ohne Land» (1975), eineAbrechnung mit den rückständigen Traditionen der Franco-Gesellschaft.
Als politisch inkorrekter Autor spart Goytisolo aber auch nichtmit Kritik am heutigen Spanien. Zuletzt veröffentlichte er 2008 «Elexiliado de aquí y de allá» (Der Exilant von hier und da), einbissiger Roman über den Konsumwahn und die Macht der Religion. Derspanische Autor hat zahlreiche Auszeichnungen erhalten, darunter 1993den Nelly-Sachs-Preis der Stadt Dortmund. Ehrungen sieht er heuteallerdings eher kritisch: «Wenn mir ein Preis zugesprochen wird,zweifle ich an mir selbst. Werde ich hingegen zur unerwünschtenPerson erklärt, weiß ich, dass ich richtig liege.»