Schöne Aussichten Schöne Aussichten: "Die Bibliothek der Träume" feiert Premiere am Puppentheater

Halle (Saale) - Am Ende des Tages wird Christoph Werner auf einer Bank stehen und der versammelten Gästeschar eine selbstbewusste, launige Rede halten.
Der Intendant des Puppentheaters Halle, der kleinsten, überaus erfolgreichen Sparte der halleschen Bühnen, ist zufrieden mit der zu Ende gehenden Spielzeit - auch wenn die deutsch-südafrikanische Koproduktion „Rettet die Sockel! -Save the Pedestals!“ zu Beginn der Saison nicht alle hoch gesteckten Erwartungen erfüllen konnte, wie Werner einräumt.
Lob für den Förderverein
Vor allem aber lobt er den rührigen Förderverein, der auch zu der Premierenfeier mit Wein, Häppchen und Live-Musik in eine Bar neben dem Puppentheater eingeladen hat. Und das Ensemble wird gestreichelt, mehr als verdient.
Eben hat die Truppe wieder einmal eine gelungene, intensiv gespielte Premiere hingelegt: „Die Bibliothek der Träume“, geschrieben und inszeniert von Christoph Werner. Angela Baumgart hat für die passende Ausstattung gesorgt, Ralf Meyer die Dramaturgie übernommen, Mia Lilith Stolle, Lili Laube und Sebastian Günther bauten die Puppen und Sebastian Herzfeld steuerte wie gewohnt die Musik bei.
Erzählt wird eine ambitionierte Geschichte, ein Science-Fiction-Märchen aus der nicht so fernen Zukunft. Politik spielt hier augenscheinlich keine Rolle mehr, die Firma All Day Industries hat die Gesellschaft übernommen. Sie verkauft Wachheit. Wer genug Geld hat, muss gar nicht mehr schlafen. Das bringt enorme Vorteile, wird suggeriert. Und fast alle Menschen haben es eingesehen: Man kann als Kind schon sein Studium samt Promotion abschließen. Höher, schneller, weiter - egal wohin.
Eine kleine Gruppe von Widerständlern, angeführt von der frechen Tilda (Franziska Rattay), die das Herz auf dem rechten Fleck hat, kämpft indes gegen die Ungerechtigkeit der Verteilung, nicht für den Erhalt der Träume.
Der Macho Louis (Nico Parisius) und ein putziges Zwillingspärchen (Ines Heinrich-Frank, Nils Dreschke) wollen mehr Teilhabe am Wachsein - unabhängig davon, wie viel einer besitzt. Und dann ist da noch Schmidt, der bekümmerte, liebenswerte Penner. Er schläft nämlich noch. Und träumt sogar dabei. Schmidt, hinter dem Lars Frank steckt, bastelt deshalb an einer Maschine, die ihn wacher und den anderen gleich machen soll. Statt dessen aber träumt er nach seinem Selbstversuch die Träume der anderen. Videos von Conny Klar lassen einen hineinschauen.
Ungeahnte Folgen
Schmidts Erfindung hat ungeahnte Folgen, zumal sie sich von der allgegenwärtigen Firma und deren öligem Chef (Simon Buchegger) natürlich prima kapitalisieren lässt. So ganz fern kommt einem diese Zukunft nicht vor.
Wohlfühl-Theater zum besinnlichen Abschalten ist das freilich nicht, es stiftet zum Mit- und Nachdenken an. Aber auch an eine schöne Liebesgeschichte haben Christoph Werner und seine Mannschaft gedacht. Ohne ein Mindestmaß an Trost mag niemand den Teufel der Zukunft an die Wand malen.
Nächste Vorstellungen am 20. und 21. Juni, jeweils um 20 Uhr
(mz)
