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Schmerzensgeld Schmerzensgeld: Jörg Kachelmann erstreitet Rekordsumme von "Bild"

Von Anne Burgmer 30.09.2015, 07:55
Jörg Kachelmann im Gerichtssaal des Landgerichts neben seinem Anwalt Ralf Höcker (l).
Jörg Kachelmann im Gerichtssaal des Landgerichts neben seinem Anwalt Ralf Höcker (l). dpa Lizenz

Köln - Jörg Kachelmann hat eine Mission. Er will die „schmierigen Schmierlappoiden aus dem Ekel-Koben von #fiesefriede“, wie er sie bei Twitter nennt, die „Bild“-Zeitung also, in die Knie zwingen. Ein Teilerfolg ist ihm vor dem Kölner Landgericht geglückt.

Die 28. Zivilkammer verurteilte am Mittwoch die „Bild“-Zeitung (Print und Online) zur Zahlung einer Rekordsumme von insgesamt 635 000 Euro (Axel Springer SE 335 000 Euro, Bild GmbH & Co. KG 300 000 Euro) Entschädigung. Die Summe ist die bisher höchste in einem solchen Verfahren in Deutschland. 2009 hatte die Klambt-Mediengruppe der schwedischen Prinzessin Madeleine 400 000 Euro zahlen müssen.

Laut dem Kölner Gericht steht Kachelmann das Geld als Ausgleich für insgesamt 38 schwerwiegende Persönlichkeitsverletzungen zu, die ihm in der Berichterstattung über sein damaliges Strafverfahren zugefügt worden seien.

Der ehemalige ARD-Wetterexperte war 2011 vom Vorwurf der Vergewaltigung freigesprochen worden. Er sieht sich durch die Prozess-Berichterstattung weiter Teile der Medien verleumdet. Mit der Hubert Burda Media („Bunte“, „Focus“) hatte er sich im Mai außergerichtlich geeinigt.

So sei Kachelmann durch die Preisgabe von Informationen über sein Sexualleben, durch die teilweise wörtliche Veröffentlichung seines SMS- und E-Mail-Verkehrs und durch die Veröffentlichung von Fotos, die ihn etwa beim Hofgang in der Justizvollzugsanstalt zeigen, in seiner Intimsphäre, seinem informationellen Selbstbestimmungsrecht und seinem Recht am eigenen Bild verletzt worden. Das Gericht betonte, dass die Berichterstattung kein berechtigtes Informationsinteresse der Allgemeinheit bedient hätte, sondern „allein zur Befriedigung der Neugier der Öffentlichkeit“ erfolgt sei.

Das alles habe zu einer unzulässigen Vorverurteilung geführt. Die Summe der Entschädigung sei daher angemessen und erforderlich. Das Gericht betonte, mit diesem Urteil präventiv ähnliche Berichterstattungen verhindern zu wollen. Eine „gezielte Kampagne“, wie von Kachelmann argumentiert, sah das Gericht indes nicht.

„Ein grandioser Sieg“

Kachelmanns Kölner Anwalt Ralf Höcker sagte im Gespräch mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“, das Urteil sei in Relation zur bisherigen, sehr zurückhaltenden Schmerzensgeld-Rechtsprechung ein „grandioser Sieg“. Er hofft auf eine abschreckende Wirkung. Um diese zu verstärken, will er vor dem Kölner Oberlandesgericht für eine noch höhere Entschädigung kämpfen und kündigte an, in Berufung zu gehen: „Die Summe ist immer noch zu niedrig. Es ist mehr nötig, um wirklich abschreckend zu wirken. Und ich halte es für realistisch, dass es uns gelingt, mehr zu erstreiten.“

Höcker, der weiterhin bewusst von einer Kampagne spricht, betonte, dass es seinem Mandaten jedoch nicht in erster Linie ums Geld gehe. „Sonst hätte er noch gegen viele andere klagen können, etwa gegen Alice Schwarzer. Er will, dass die zur Rechenschaft gezogen werden, die ihm am übelsten mitgespielt haben.“

Der Anwalt will zudem erreichen, dass auch Artikel in einem Urteil berücksichtigt werden, für die sein Mandant zuvor keine Unterlassungsansprüche geltend gemacht hatte. Diese hatte das Gericht ausgeklammert. Höcker sagte, bei der Vielzahl der Artikel sei es schon aus finanziellen Gründen gar nicht möglich gewesen, im Vorfeld gegen jeden Einzelnen vorzugehen. Die Einschätzung der Gegenseite fiel erwartungsgemäß anders aus. Das Gericht habe Kachelmanns „absurd hohe“ Millionenforderung weitgehend zurückgewiesen, so Springer. Dieser hatte ursprünglich 2,25 Millionen Euro Entschädigung gefordert.

Zudem müsse Kachelmann 78 Prozent und 60 Prozent der Gerichts- und Anwaltskosten beider Verfahren tragen. „Damit hat Kachelmann seine Geldentschädigungsklage rein rechnerisch ganz im Wesentlichen verloren“, so Springer-Anwalt Jan Hegemann.

Springer kündigt Berufung an

Das Gericht habe in seiner Begründung deutlich gemacht, dass es keine Anhaltspunkte dafür gebe, dass „Bild“ vorsätzlich und mit Schädigungsabsicht gehandelt habe. Dem Verlag könne nur der Vorwurf gemacht werden, „auf einem außerordentlich schwierigen Gebiet der Abwägung der widerstreitenden Grundrechtspositionen die rechtliche Grenzziehung fahrlässig verfehlt zu haben.“ Mit der Entscheidung des Gerichts will sich auch Springer nicht zufriedengeben. „Wir werden auf jeden Fall in Berufung gehen“, sagte Claas-Hendrik Soehring, Leiter Medienrecht der Axel Springer SE. „Denn es liegt weder im Interesse einer freien Presse noch der Öffentlichkeit, dass Medien irrwitzige Geldentschädigungen zahlen müssen, wenn sie über aufsehenerregende Strafprozesse gegen bekannte Persönlichkeiten berichten.“

Wettermoderator Jörg Kachelmann
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dpa Lizenz