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Schloss Köpenick Schloss Köpenick: Um Kopf und Kragen

Von christian eger 20.12.2011, 18:47

berlin/MZ. - Als Jugendlicher war der spätere Preußenkönig Friedrich II. (1713-1786) ein Kronprinz auf dem Sprung. Und zwar auf dem Sprung ins Ausland. Aus halbwegs nachvollziehbaren Gründen.

Da waren: die strenge, gern auch handgreifliche Erziehung durch den Vater, den sogenannten Soldatenkönig Friedrich Wilhelm I. (1688-1740). Der militärische Drill, dem sich der Sohn als Offizier zu unterziehen hatte. Die Hingabe an geistig-musische Interessen, die wiederum den Vater in Angst und Schrecken versetzten. Denn mit Preußen war ein noch junger, innen- und außenpolitisch angefochtener Staat zu festigen und nicht etwa ein Schlosstheater zu führen.

Es war keine Seltenheit, dass Thronanwärter nicht nur mit dem Gedanken spielten, sich ihrer Lebensaufgabe zu entziehen. Halsbrecherische Vorhaben, die in ihrer politischen Brisanz kaum zu überschätzen waren. 1717 floh Alexej, ein Sohn Peters I. von Russland, über Österreich nach Italien. Der Vater ließ den Prinzen zurückholen und machte ihm wegen Hochverrats den Prozess. Alexej starb 1718 im Alter von 28 Jahren angeblich an den Folgen der Folter.

Friedrich packte im Juli 1730 seine Taschen - nur zum Wegschleppen kam es nie. Ein Versuch, über Leipzig und Frankfurt am Main ins Elsass zu fliehen, war zuvor gescheitert. Am 15. Juli sollte alles besser laufen: Als Begleiter einer Inspektionsreise seines Vaters durch Süddeutschland wollte der 18-Jährige vom badischen Dorf Steinsfurt aus in Richtung Frankreich entwischen. Eingeweiht waren der Leutnant Peter von Keith und der Premierleutnant Hans Hermann von Katte (1704-1730).

Allein der Page, der den Kronprinzen am frühen Morgen wecken sollte, riss nicht nur diesen aus dem Schlaf. Friedrich wurde gestellt, der Fluchtverdacht aber blieb noch vage. Das änderte sich erst, als am 8. August ein von Katte in Berlin aufgegebenes Schreiben abgefangen wurde, das die Fluchtpläne offenbarte. Hochverrat, Fahnenflucht, Majestätsbeleidigung: Alles das stand im Raum. Jetzt ging es ganz schnell: Der Kronprinz wurde als Staatsgefangener erst nach Wesel, dann über Halle in die Festung Küstrin gebracht. Keith floh nach England, Katte wurde in Berlin verhaftet. Der König verlangte, dass das im Schloss Köpenick bei Berlin tagende Kriegsgericht die gefassten Deserteure - den nur noch als "Oberst Fritz" bezeichneten Kronprinzen und Katte - zum Tode verurteilt. "Ich erkenne ihn nicht mehr als meinen Sohn an", schrieb der König über Friedrich an seine Gemahlin. "Er hat über mich und mein ganzes Haus Schaden gebracht, dieser Elende verdient nicht mehr zu leben."

Im Schloss Köpenick bei Berlin, dort, wo vom 25. Oktober bis 2. November 1730 das juristische Exempel statuiert werden sollte, erinnert jetzt die Ausstellung "Kriegsgericht in Köpenick! Anno 1730: Kronprinz - Katte - Königswort" an den Katte-Prozess und seine Folgen. Die Ausstellung, die gleichsam mit einem Paukenschlag die Serie von Veranstaltungen aus Anlass des 300. Geburtstages Friedrichs am 24. Januar eröffnet, ist ein Glücksfall. Alle verfügbaren Akten werden kritisch ausgebreitet. Alle Orte und Akteure des Geschehens vorgestellt, zu letzteren gehörte auch Fürst Leopold I. von Anhalt-Dessau (1676-1747), der "Alte Dessauer", der seinen großen Einfluss beim König nutzte, um auf ein verhältnismäßiges Urteil für den Kronprinzen hinzuwirken.

Reizvolle, selten gezeigte Schaustücke werden präsentiert: Georg Lisiewskis Katte-Porträt von 1730, als Katte-Reliquien ein Siegelring und eine Zuckerdose, die beide im Familienwappen eine springende Katze (die Katte!) mit Maus im Fang zeigen, ein rotes Schränkchen, das der in Berlin geborene Fluchthelfer - der von 1717 bis 1721 die Franckeschen Stiftungen in Halle besuchte -, während der Haft gezimmert haben soll. In einer großen Installation im Festsaal des Schlosses wird die Sitzordnung der 16 Kriegsrichter nachgestellt, die nicht für die Hinrichtung Kattes entschieden, weil die Flucht ja nicht vollzogen worden war.

Der König forderte ein neues Urteil. Abermals verweigerten die märkischen Adligen den Todesspruch, den der König dann selbst aussprach. Denn, erklärte Friedrich Wilhelm, " es wäre aber beßer, daß er stürbe als daß die Justitz aus der Welt käme". Der entflohene Keith wird "in effigie" - als Bildnis - gehängt, Katte am 6. November 1730 auf der Festung Küstrin geköpft - nicht vor den Augen des Kronprinzen, wie die Schau darstellt. War das Urteil zwangsläufig? Ja, meinen die Ausstellungsmacher, wenn Friedrich Wilhelm I. "weiter König in Preußen bleiben wollte". Er hätte abschrecken müssen, um die Autorität zu bewahren: "So lagen die Fakten, sprachen die Akten", heißt es in Köpenick.

Katte wurde in der Ostgruft der Kirche von Wust-Fischbeck im heutigen Landkreis Stendal beigesetzt. Fontane beschrieb, dass sich die Katte-Touristen gern Wirbel und Zähne als Mitbringsel griffen. Eine Öffnung des Sarges im Jahr 1987 ergab, dass das Katte zugeschriebene Skelett wahrscheinlich einer Frau gehört. Eine Untersuchung steht aus. Und Friedrich Wilhelm? Dessen Sarg wurde zuletzt 1991 in der Potsdamer Friedenskirche nur einfach abgestellt. Die Gegner von gestern finden keinen Frieden.

Bis 5. Februar: Schloss Köpenick in Berlin, Di-So 10-18 Uhr, der hervorragende Katalog: 296 Seiten, 26 Euro