Schleef-Festival Schleef-Festival: Entdeckungsreise im Kosmos des Dichters
Berlin/MZ. - Das Berliner Café Kaiserstein trennt vom Sangerhäuser Herrenkrug mehr als nur die rein räumliche Entfernung: Während man dem trüben Januar-Tag hier über den Schaumrand eines Milchkaffees bequem beim Verdämmern zusieht, streift der Blick dort besser über eine frisch gezapfte Bierkrone. Und doch ist das Kreuzberger Lokal offenbar ein Ort, an dem sich bestens über ein Projekt für das Gasthaus in Sangerhausen reden lässt. Jedenfalls hat André Bücker diesen Treffpunkt vorgeschlagen.
Der 35-jährige Regisseur wird mit der Uraufführung seiner Text-Collage "kein.schöner.land" am kommenden Sonntag das Finale beim "Schleef-Block I" bestreiten - und schwärmt schon jetzt von den Bedingungen, die ihn an dem ungewohnten Schauplatz erwarten. Als er den Saal im "Herrenkrug" zum ersten Mal gesehen habe, sei ihm spontan die Idee zur Inszenierung mit einem Männer-Gesangsverein gekommen - der im Chor der Sangerhäuser Kleingärtner bald gefunden war. Und als mit dem Schauspieler Thorsten Heidel zudem ein Solist gewonnen werden konnte, der neben seinen bisherigen Erfahrungen mit Regisseuren wie Heiner Müller, George Tabori, Claus Peymann und eben Einar Schleef vor allem große Neugier und Kraft mitbringt, stand der Konfrontation zwischen diesem Einzelnen und der Masse nichts mehr im Weg.
Dass ihn ein solches Projekt jenseits der klassischen Rahmenbedingungen nicht schreckt, liegt freilich auch an Bückers Anfängen im freien Theater - und an jüngsten Arbeiten wie seiner Inszenierung "Priscilla - Königin der Wüste".
Wer sein Publikum damit auf eine abenteuerliche Reise durch die Göttinger Nacht geschickt hat und - nach guten Erfahrungen mit dem "Jedermann" in der Quedlinburger Stiftskirche - demnächst auch den Halberstädter Dom bespielen darf, muss die Dimensionen eines Wirtshaus-Saales nicht fürchten. Zumal André Bücker mit der Vorlage bereits die Konditionen des Spiels bestimmt: Passagen aus Einar Schleefs Groß-Essay "Droge Faust Parsifal" zementieren das theatralische Fundament, auf dem sich Zitate aus seinem unbewältigten Regie-Projekt "Faust" mit deutschen Volksliedern begegnen.
So vereinnahmt die Inszenierung nicht den Lebenslauf des Dichters und Malers, des Regisseurs und Schauspielers Einar Schleef, sondern richtet ein Teleskop auf den Kosmos in seinem Kopf. Was man dort entdecken kann, lobt Bücker als "großartig und kleinteilig" zugleich: Schleefs Auseinandersetzung mit der antiken Ästhetik, seine berauschende Behandlung des Fremdkörpers Sprache und seine leuchtenden Texte stünden in einem fruchtbaren Widerstreit mit der Herkunft, von der sich dieser Künstler nie lösen konnte.
Dass er selbst als Fremder in Einar Schleefs Heimat aufbricht, sieht André Bücker im übrigen nicht als Problem: Mit großer Offenheit und Freundlichkeit hätten ihn die Chormitglieder bereits bei den ersten Begegnungen empfangen. Den Grund dafür darf der Regisseur, der in Osnabrück aufwuchs und nach seinem Studium unter anderem an Theatern in Dortmund und Wilhelmshaven sowie beim Kunstfest Weimar arbeitete, wohl auch bei sich selbst suchen. Denn dass er im Café Kaiserstein ebenso zu Hause ist wie im Herrenkrug, glaubt man ihm sofort - auch wenn er verspricht, dass es bei Käsewürfeln und Bier nicht nur gemütlich wird.