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Schiffbau- und Schifffahrtsmuseum Schiffbau- und Schifffahrtsmuseum: Malheur mit dem Fischkutter für Fidel Castro

Von Michael Deutsch 03.09.2003, 17:22

Roßlau/MZ. - Oft vergessen, hat Sachsen-Anhalt auch eine faszinierende technische Geschichte zu erzählen. Zeitzeugnisse lassen sich in vielen Museen bestaunen. Dass Kubas Staatschef Fidel Castro in den 60er Jahren kein Fischmehl produzieren konnte, dafür können die Roßlauer nun wahrlich etwas. Kein Seemannsgarn. Dieter Hermann, Vorsitzender des Roßlauer Schiffervereins 1847, könnte einen Seesack voll Anekdoten ausschütten.

Tut er auch. Seit der Wende hat der 66-Jährige mit dem Traditionsverein die nahezu eingeschlafene Werft-Geschichte aus der Koje geholt. In einer Ausstellung, seit drei Jahren in der ehemaligen Werkskantine der Roßlauer Werft integriert, warten über 50 Schiffsmodelle, Baupläne, Fotos sowie ein Sammelsurium an technischen Hilfsmitteln zur Schifffahrt auf Besucher. Zudem ist Spannung versprochen wenn Dieter Hermann, 34Jahre Werftarbeiter, mit den Museumspassagieren in See sticht.

Die Werft mit Slipanlage - eine Vorrichtung um Schiffe ins Wasser zu lassen oder an Land zu ziehen - wurde 1866 von den in Roßlau beheimateten Sachsenberg-Brüdern erbaut. "Schon damals schipperten Dampfer auf der Elbe, allerdings noch mit starren Schaufelrädern", erzählt Hermann. Damit sei die Maschinenleistung nur schlecht umgesetzt worden. "Denn feste Schaufeln bremsen beim Ein- und Austauchen das Schiff ab", erklärt er und zeigt auf das Modell einer genialen Erfindung - natürlich aus Roßlau: Das bewegliche Schaufelrad.

Oberingenieur Ernst Wilhelm Dietze (1837 bis 1915) hatte es erfunden. Das Prinzip vom schrägen Eintauchen der Schaufelblätter brachte einen Leistungs-Zugewinn von rund einem Viertel, was sich in mehr Fahrgeschwindigkeit ausdrückte. Umgesetzt wurde Dietzes Erfindung am 1883 gebauten Elbschleppdampfer. Die Sachsenberg-Radschlepper - zudem mit stärkeren Maschinen bestückt - liefen außer Konkurrenz, waren, wenn man so will, echte "Fluss-Schlager".

Nahezu unbekannt ist auch die "tragende" Erfindung der Tragflächenboote. Jene Schiffe, die auf einer Art Flügel übers Wasser gleiten und bei gleicher Leistung durch verringerten Fahrwiderstand höhere Geschwindigkeiten erreichen, basieren auf Lizenzen des 1937 von den Sachsenbergs und dem Freiherrn von Schertel gegründeten Tragflügelboot-Konsortiums. "In Kriegszeiten interessierte sich die Wehrmacht für die Erfindung", berichtet der Museumslotse. Unter dem Mantel der Verschwiegenheit wurden dann 1939 Schnellboote für Pioniereinheiten gebaut.

Als nach Kriegende die Werft, die auch Teile für V2-Raketen produzierte, enteignet wurde, nahmen die "Entmachteten" das Patent mit. Die Roßlauer waren eh mit Reparationsleistungen an die Sowjetunion beschäftigt. Anfänglich noch Fischkutter, wurden in den 60er Jahren Baggerbauschiffe gefertigt. "Mit zwei solcher Eimerkettenbagger Typ 805", zeigt Herrmann in die Vitrine, "wurde der Rostocker Hafen gebaut." Als 1970 eine neue Slipanlage entstand, orderten die Sowjets mächtige, 80 Meter lange Binnengüterschiffe für ihre sibirischen Ströme. In Wendezeiten, 1990 bis 1993, verwaltete die Treuhand die Werft, die sich heute nach der Privatisierung auf reinen Stahlbau umprofiliert hat.

Doch wie war das mit Castros Fischmehl? "Da ist etliches schief gelaufen", muss Hermann vor dem Modell des Fischkutter-Typs 569 feixen. 1968 sollten zehn dieser Kutter nach Kuba geliefert werden. Doch schon beim Zuwasserlassen passierte ein Malheur: Ein Boot kippte um. "In der Not haben uns dann die ,sowjetischen Freunde' geholfen und mit einem ihrer Panzer das Schiff wieder aufgerichtet".

Castro habe alle Fischmehl-Boote bekommen - allerdings ohne funktionstüchtige Anlage. Diese, erklärt Hermann, müsse peinlich genau auf die Fischqualitäten - speziell auf den Fettgehalt - abgestimmt sein. "Mit unseren Heringen aus Rostock klappte es tadellos - aber mit dem Fisch vor kubanischer Küste...". Hermann winkt ab. Der genervte Castro habe die Schiffe allesamt nach Argentinien verkauft.

Schiffbau- und Schifffahrtsmuseum Roßlau: Die 10-12 und 14-18 Uhr sowie jeden dritten Sonntag im Monat von 13-17.