Schauspiel Leipzig Schauspiel Leipzig: Im Dickicht der Märchen und Morde
Leipzig/MZ. - Wenn man die Schausammlung eines Jagd-Museum als höchste Stufe der Kultivierung von Natur verstehen darf, dann müsste - im Gegenzug - die Auswilderung eines sensiblen Künstlers als ausgleichende Gerechtigkeit empfunden werden. Das erste Stück der jungen Autorin Shenja Keil, das nun in der neuen Szene des Leipziger Schauspiels uraufgeführt wurde, handelt genau von einem solchen Balance-Akt - und vom deutschen Wald als Ort für poetische Märchen wie für profanen Mord.
Nach der kurzfristigen Absage des Regisseurs Peer Boysen von Thorsten Duit inszeniert, erweist sich "Wildfremd" allerdings als nur teilweise bewältigte Herausforderung. Zwar sind - namentlich mit Berndt Stübner und Friedhelm Eberle - erstklassige Darsteller am Werk, die von einem nicht minder souveränen Ensemble unterstützt werden. Doch der Rätsel-Ton des Textes kommt unter vielen kurzschlüssigen Kalauern gelegentlich fast abhanden. Und das ist umso bedauerlicher, weil Shenja Keil Hörenswertes zu erzählen hat.
Ihr Grund-Einfall - die Errichtung der Naturschau "Heimische Pflanzen und Tiere" als Ersatz für unrettbar verlorene Biotope - wird von der Regie in eine Parade der Tier-Kadaver umgewandelt, für den in der Kindfrau Bilse (Carmen Betker) gesetzten Kontrapunkt aber steht kein adäquates Mittel zur Verfügung. Ihre in aller Unschuld erotisch grundierte Geschichte vom Einhorn bleibt bloße Behauptung, während der Kampf des Herrn Falkner um sein Lebenswerk nur allzu deutlich illustriert wird.
Als Bindeglieder zwischen diesen Welten der nutzbringenden Endverwertung und der phantastischen Träumerei fungieren lediglich der Gehilfe Hans und der Schauspieler Schnidt, die sich über Verweigerung definieren: Während der Eine am tradierten Waidwerk festhält, anstatt sich der Beamten-Doktrin "Kampf dem Tod!" zu beugen, vertieft sich der Andere in Stanislawski-Manier in die Rolle des edlen Hirsches. Diese Figuren, von der Autorin mit detailliert und mit Hang zu absurder Komik gezeichnet, sind als Mischwesen die eigentlichen Identifikationsangebote. Und wenn sich Eberle in einen wahren Zettel-Traum steigert, ist solche Verneigung in Richtung Shakespeare aller Ehren wert.
Nächste Vorstellung: 19. Januar, 18 Uhr; 27. Januar, 20 Uhr