Sandow Sandow: Balladen aus dem Presslufthammer
Halle/MZ. - Gelegenheitshörer pfiffen die flotte Melodie begeistert mit. Und wer genau hinhörte, der staunte über den ätzenden Text, der alle Heiligtümer des SED-Staates in den Dreck trat: "Wir bauen auf und tapezier'n nicht mit. Wir sind sehr stolz auf Katharina Witt."
Wenig später war die DDR erledigt. Sandow spielten das Lied nicht mehr. Die Alben, die sie endlich ohne Aufsicht produzieren konnten, enthielten dunkle, dröhnende Industrial-Musik, zu der Kohlschmidt, unterdessen mit kahlrasiertem Kopf und messerscharfen Koteletten, mit Leichenbittermiene abgründige Verse murmelte.
Das Quartett, 1982 als Schülercombo im Cottbusser Stadtteil Sandow gegründet, zog sich aus der Realität zurück in ein selbstgeschaffenes Kunstreich, in dem Drogen erlaubt waren, um der Wirklichkeit hinter der neuen Weltordnung auf die Spur zu kommen.
Das Ende kam nach sieben apokalyptischen Werken zwischen Einstürzende Neubauten, Rammstein und Throbbing Gristle: Sandow lösten sich sang- und klanglos auf.
Zehn Jahre später aber sind die vier Freunde nun wieder da. "Kiong - Gefährten der Liebe" heißt das neue Album, das Bassist Tilman Fürstenau, Gitarrist Chris Hinze, Trommler Lars Neugebauer und Kai-Uwe Kohlschmidt zusammen eingespielt haben. Ein Werk, das den Namen Comeback verdient: Wo zuletzt zuweilen atonales Gehämmer die letzten Reste von Rockmusik verschüttet hatte, wachsen jetzt wieder Melodien aus Celloweinen, wummerndem Schlagzeug und Hinzes E-Gitarre.
Auch Kohlschmidts Texte, in der Vergangenheit häufig gesungene Sudoku-Rätsel, erschließen sich einfacher. "Ich sehe was / was Du nicht siehst / ich höre was / was es nicht gibt", reimt der Mann, der in der Kult-Doku "Flüstern & Schreien" mit einer akustischen-Gitarre auf dem Rücken und einem Bollerwagen durch die Lande trampte.
Die akustischen Gitarren sind zwar wieder da. Aber heute ist das Gesamtkunstwerk komplizierter, konstruierter. Sandow-Musik transportiert schwergewichtige Botschaften, verpackt in sorgfältig ineinander verschränkte Soundschichten. "Kiong" hat schöne Chöre wie in "Sunny", brüllenden Punkrock wie in "Krieg" und Theaterdonner-Gefrickel wie in "Bastard". Vom Irak-Krieg geht es zur Liebe und wieder zurück, es zirpt die Elektronik und Presslufthämmer rattern Balladen: "Eins weiß ich /wird bleiben / Du und ich".