Salzlandmuseum Salzlandmuseum Schönebeck: Ausstellung "Meine Elbe, meine Liebe" zeigt Fotografien von Albert Karl Müller

Schönebeck - Ein Schiff wird kommen. Was heute auch auf der Elbe im Stadtgebiet von Magdeburg allenfalls als Hoffnung formuliert werden kann, war 1926 noch eine sich stündlich mehrfach wiederholende Gewissheit.
Vor genau 90 Jahren machte sich Albert Karl Müller als „Spezial-Photograph für Binnenschifffahrt und Industrie“ selbstständig. Müller, der vor 50 Jahren in Magdeburg starb, war ein Enthusiast, der sein Hobby professionalisierte, nachdem er seinen Dienst als Bahnpostbeamter unfallbedingt quittieren musste.
Ausstellung mit ausgewählten Fotografien von Müller
Mit schöner Regelmäßigkeit suchte er fortan immer denselben Punkt am östlichen Elbufer auf, um die stromauf und stromab ziehenden Wasserfahrzeuge direkt vor der Kulisse des Magdeburger Domes zu fotografieren: Schleppkähne, Kettendampfer, Seitenrad- und Heckdampfer, die erste Generation selbstfahrender Motorschiffe sowie Fahrgastschiffe mit Dampf- und Dieselantrieb.
So kam nicht nur eine stattliche Sammlung von Binnenschiff-Aufnahmen zusammen, sondern auch eine einzigartige fotografische Dokumentation der Elbe-Schifffahrt des frühen 20. Jahrhunderts.
Die befindet sich auf 1.500 Glasnegativen, die im Salzlandmuseum Schönebeck gehütet werden. Ein Bruchteil des Bestandes ist derzeit in der Ausstellung „Meine Elbe, meine Liebe“ zu sehen. Die Schau legt das Augenmerk aber nicht auf reine Schiffsdarstellungen, was eher ein Fall für Fans und Fachleute wäre, sondern auf ausgewählte Fotografien, auf denen Müller Leben und Alltag an Bord festhielt.
An Bord mit Kindern und Hühnern
Da sieht man einen alten Fahrensmann im Magdeburger Hafen die Blumentöpfe und Kräuterkästen gießen, die er am Heck des Schiffes mit sich führt. Aber nicht nur Pflanzen, auch Nutztiere waren mit an Bord: Ein Foto zeigt, wie fünf Hühner nach einem Landgang in Magdeburg über eine schmale Holzstange zurück aufs Schiff balancieren.
Seltener waren Fotos, die Kinder von Schiffseignern oder -führern zeigen. Die Kleinen durften wohl nur in den Ferien mit auf Reisen gehen. Und so grinsen ein Junge in kurzer Lederhose und ein Mädchen in gestreiftem Sommerkleid den Fotografen ebenso keck an, wie deren älterer Bruder, der auf einer provisorischen Schaukel an Deck hin und her schwingt.
„Es ist ein Glücksfall“
Ein „Feierabendstimmung“ betiteltes Gruppenbild vereint sechs Binnenschiffer, die am Ende eines Arbeitstages auf der Reling ihres Schiffes sitzen. Zwei Männer sind in eine Ausgabe des „General-Anzeigers“ vertieft, für den Müller als freier Mitarbeiter fotografierte.
Ein anderer Geselle flickt seine Hose, derweil sein Nebenmann sich die Füße reinigt. Gleiches zu tun ist auch ein anderer Kollege im Begriff, der gleichzeitig noch eine Hand aufhält, in die ihm sein Kumpel rechter Hand Münzgeld zählt.
Müllers Fotos sind ein Glücksfall
Vom Wasser gelöst hat sich Müller bei einer Aufnahme des Seitenraddampfers „Tangermünde“. Er hat das Schiff nach einer Havarie aufgenommen. 1890 in Dresden als Frachtschiff gebaut, wurde es in den 30er Jahren zum Passagierdampfer umgerüstet und versah seinen Dienst, nach Behebung des von Müller dokumentierten Unfallschadens, noch bis ins Jahr 1956. Dann wurde es abgewrackt.
„Bei den 50 mal 70 Zentimeter großen Schwarz-Weiß-Aufnahmen handelt es sich um Abzüge, die direkt vom Glasnegativ gemacht und nicht nachbearbeitet wurden“, sagt Museumsmitarbeiter Frank Löbig, der die Ausstellung gemeinsam mit der 16-jährigen Sarah Dick, die ein freiwilliges soziales Jahr im Museum leistet, kuratiert. „Es darf als Glücksfall betrachtet werden, dass die Fotos die Zeitläufe überdauert haben“, sagt Frank Löbig.
Salzlandmuseum fehlt Geld für Fotobuch
Nach Müllers Tod habe dessen Sohn das Glasplatten-Konvolut der Schifferschule in Schönebeck-Frohse vermacht. Dort sei man in den 1980er Jahren so weitsichtig gewesen, sie dem Stadtmuseum zu übereignen.
Eine größere Auswahl von Müllers Aufnahmen in Buchform betrachten zu können, wäre zwar wünschenswert, kann aber von der Schönebecker Einrichtung nicht realisiert werden. Dafür fehlen dem Salzlandmuseum – wenig überraschend – die finanziellen Möglichkeiten.
Fotografierverbot im Weltkrieg
Leider tragen die Platten weder Bezeichnung noch Aufnahmedatum. Sie dürften aber vor allem aus den 20er und 30er Jahren stammen. Denn die Existenz als Schiffsfotograf war für Müller 1941 vorbei, als es kriegsbedingt verboten wurde, wasserbauliche Anlagen zu fotografieren.
Er verlegte sich auf die Porträtfotografie, ehe er die Kamera 1952 an den Nagel hing. Fotos von Müller sind auch eingegangen in die Dauerausstellung „Lebensströme – Binnenschifffahrt auf Elbe, Saale und Bode“, in der neben zahllosen Schiffsmodellen auch eine originale Schiffsführer-Kabine gezeigt wird, die Teil eines 1889 gebauten Kaffenkahns war.
Neueröffnung im Salzlandmuseum
Ein neuer Bereich wird am 10. September im Salzlandmuseum eröffnet. Der wird dauerhaft über die „Ringheiligtum“ genannte und jüngst aufwendig rekonstruierte Kreisgrabenanlage im benachbarten Pömmelte informieren.
„Albert Karl Müller: Meine Elbe, meine Liebe“, bis 25. September, Salzlandmuseum Schönebeck, Pfännerstraße 41, Di und Fr 10-16 Uhr, Do 10-18 Uhr sowie So 14-18 Uhr