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«Sakrileg»-Verfilmung «Sakrileg»-Verfilmung: Ein Netz aus losen Fäden

Von Andreas Hillger 12.05.2006, 18:03

Halle/MZ. - Die Museumswächter des Louvre beobachten seit einiger Zeit eine seltsame Besucher-Spezies. Diese Gäste betrachten gründlich das Parkett der Grande Galerie, studieren Leonardos "Felsgrotten-Madonna" - und verharren andächtig von der Pyramide Inversèe, die der Architekt Ieoh Ming Pei als Gegenstück zum spektakulären Glas-Entree in die Tiefe versenkt hat. Der Reiseführer, den solche Touristen benutzen, ist ein Bestseller, dessen blutige Handlung im Louvre beginnt - und der kommende Woche als "The Da Vinci Code" weltweit in die Kinos kommt.

Dan Browns Thriller, der hierzulande unter dem reißerischeren Titel "Sakrileg" erschienen ist, hat sich nicht nur die Verfilmung mit Tom Hanks und Audrey Tautou in den Hauptrollen verdient. Er sorgt seit seiner Veröffentlichung für Plagiatsprozesse und heftige Kritik, die sich vor allem gegen die Darstellung der katholischen Organisation "Opus Dei" als Geheimwaffe des Vatikan richtet. Das alles sichert den Abenteuern des "Symbolologen" Robert Langdon und seiner Kampfgefährtin Sophie Neveu zusätzliches Interesse - obwohl sie eigentlich nur ein raffiniertes Spiel mit altbekannten Variablen sind.

Brown geht dabei jenen Weg, den er bereits in "Illuminati" erprobt hat: Aus scheinbar losen Fäden der abendländischen Kunst- und Kulturgeschichte knüpft er ein reißfestes Netz, in dem am Ende alles mit allem zusammenhängt. Dass er diese klassische Methode jedes Verschwörungstheoretikers bereits zum zweiten Mal auf die vermeintlich dunklen Seiten des römischen Kirchenstaats anwendet, bezeugt im Umkehrschluss die ungebrochene mythenstiftende Kraft dieser auf Religion gegründeten Macht.

Und die ist es auch, die den Titel "Sakrileg" beglaubigt: Solange sich konservative Theologen von den Spekulationen eines Roman-Autors über die Nachfahren Christi und die Gestalt des Heiligen Grals zu wütenden Repliken veranlasst fühlen, verhelfen sie dem Text zur Haftung an der Wirklichkeit. Die aktuelle Flut von Büchern mit rotem Titel auf schwarzem Einband ist bester Beleg dafür, wie sehr sich Nachahmer vom Erfolg des Trittbrettfahrers Brown anregen lassen.

Dabei steht außer Frage, dass Brown aus Tempelrittern und Rosenkreuzern, aus der legendären Ehe zwischen Jesus Christus und Maria Magdalena sowie aus den Grals-Geschichten und der Da-Vinci-Kunst einen anregenden Cocktail zu rühren vermag. Auch dass es ihm gelingt, den Verdacht des gebannten Lesers lange und gründlich in die Irre zu leiten, ist ein Beleg für seine handwerkliche Präzision. Wenn diese Qualität die Aufmerksamkeit auf die Schätze des Louvre oder auf Da Vincis Abendmahls-Fresko lenkt, stiftet Spannung ein Bildungsbedürfnis.

Allerdings sollte man sich hüten, in Browns Deutungen der Vergangenheit mehr als eine faszinierende Möglichkeit zu sehen. Denn dann geht man einem alten Trick auf den Leim: Brown kannte seine Antworten, bevor er die Fragen in ein verführerisches Bilderrätsel kleidete.

Dan Brown: Sakrileg; Bastei-Lübbe, 620 S., 9,95 Euro