Sachsen Sachsen: Leipzig zeigt Zwangsjacken und Psychopharmaka

Leipzig/ddp. - Das sei die Besonderheit des Hauses, sagt Sammlungsleiter ThomasMüller. «Wir sind die einzige museale Institution, die sich mit dersächsischen Psychiatriegeschichte insgesamt beschäftigt und die Sichtvon Psychiatriebetroffenen widerspiegelt.» Manchmal gehe es laut zuin dem Haus, das Menschen auch dann offen steht, wenn sie gerade eineakute psychotische Phase durchmachten, sagt Müller.
In den drei Räumen werden Zwangsjacken, Überwurfnetze undPsychopharmaka gezeigt sowie bekannte sächsische Psychiatriepatientenvorgestellt. Der Jurist und Schriftsteller Daniel Paul Schreber (1842- 1911) etwa, dessen autoritärer Vater den Schrebergärten seinenNamen gab und der seine Kinder mit orthopädischen Geräten zurgesunden Körperhaltung traktierte.
Daniel Paul Schreber, der unter anderem Senatspräsident amOberlandesgericht Dresden war, erkrankte wohl auch deshalb psychischund verbrachte lange Zeit in einer Anstalt. Dank seines 1903veröffentlichten Buches «Denkwürdigkeiten eines Nervenkranken»avancierte er später zum «berühmtesten Psychiatriepatienten derWelt», sagt Rosi Haase, die in der Wendezeit die Basisgruppe«Psychiatriebetroffene» mitgründete und später den Verein Durchblickaus der Taufe hob.
Für sie ist klar, warum das Museum die Historie der Psychiatrienur anhand der Geschichten von Betroffenen wie Schreber erzählenkann. »Die Psychiatrie ist immer sehr bedroht, entweder ihreFähigkeiten zur Heilung zu verklären oder Kranke auszugrenzen. Da dasvon Ärzten und Pflegepersonal natürlich ganz anders gesehen wird,müssen wir die Psychiatrie von der anderen Seite des Ufers ausbewerten."
Gezeigt werden laut Haase auch die persönlichen Leidensgeschichtenoder Schattenseiten wie die Euthanasie. Den Tötungsverbrechen anpsychisch Kranken widmet sich das Museum unter anderem am Beispielder Heil- und Pflegeanstalt Pirna-Sonnenstein. Rund 15 000 Menschenwurden dort in den Jahren 1940 und 1941 auf Geheiß derNationalsozialisten umgebracht.
Trotz der begrenzten Raumkapazität verzeichnet das Museumsteigende Besucherzahlen. Müller kann sich darüber freuen, dass immermehr Gäste in sein Haus kommen, 3000 waren es letztes Jahr, 20Prozent mehr als im Jahr davor. Sein Museum sei zwar alles andere alsperfekt ausgestattet, und mitunter träume er von mehr Platz für seineSammlung, sagt Müller. Aber dann fügt er hinzu: «Eigentlich istdieser Ort das Ehrlichere und Authentischere.»