Sachsen-Anhalt feiert Sachsen-Anhalt feiert: Vier Prinzen und ein Todesfall
Zeitz/MZ. - Ein einflussreicher, aber politisch wankelmütiger Regent aus der albertinischen Linie des Hauses Wettin. Am achten Oktober 1656 starb der 71-Jährige nach 45 Regierungsjahren. Kein Grund zur Krise am Hof zu Dresden. Denn alles hätte ja laufen können, wie es sonst immer läuft. Der Erstgeborene erhält alles: das Land, die Macht, den Ruhm. Die Nachgeborenen werden ausgezahlt. Um das Land nicht zu schwächen, indem man es zersplittert.
Dass es in diesem Fall so ganz anders gekommen ist, stellt die Forschung bis heute vor Rätsel. Der alte Herr galt als entscheidungsschwach; mehrfach hatte er während des Dreißigjährigen Krieges die Fronten gewechselt. Seit 1652 werkelte der Kurfürst an seinem letzten Willen, offenbar getrieben von seinen Beratern. Im Juli 1652 versiegelte der Senior sein Testament und machte fortan ein großes Geheimnis darum, sogar vor seiner Familie. Um so stärker war die Überraschung vor 350 Jahren.
Pauken und Trompeten
Nicht der eine bekam alles, sondern alle bekamen etwas und der nunmehrige Johann Georg II. (1613-1680) erhielt als Erstgeborener mit der Kurwürde den größten Batzen. Aber auch die Nachgeborenen wurden hochherrschaftlich versorgt und mit Herzogtümern beschenkt: August (1614-1680) wurde Herzog von Sachsen-Weißenfels, Christian (1615-1691) von Sachsen-Merseburg und Moritz (1619-1681), der Jüngste im Quartett, Herzog von Sachsen-Zeitz.
Eine herrschaftspolitische Sensation und eine familienpolitische Herausforderung: Kursachsen ein Flickenteppich, der neue kein ganzer Kurfürst und die frisch gebackenen Herzöge nur halbe Portionen im Spiel der Kräfte des Deutschen Reiches. Um Unklarheiten zu regeln, wird der "Freund-Brüderliche Haupt-Vergleich" geschlossen, ein innerfamiliärer Grundlagenvertrag. So gilt der 1. Mai 1757 als Geburtsstunde der sächsischen Sekundogenituren, der - auf Deutsch gesagt - Linien der Zweit- oder Nachgeborenen. Das immerhin stand fest: Die Oberhoheit hatte der Kurfürst, der ein jedes Herzogtum wieder kassieren konnte, wenn die jeweilige Familie ausstarb. So hob in Zeitz, Weißenfels und Merseburg auch ein Wettbewerb im Gebären an - gefragt waren Prinzen mit Durchhaltekraft.
Buchstäblich mit Pauken und Trompeten werden heute in Zeitz die Feierlichkeiten aus Anlass der 350. Wiederkehr der Gründung der Herzogtümer an Saale, Unstrut und Elster gestartet. Um elf Uhr beginnt der Festakt im Großen Saal des Barockschlosses, das Moritz von 1657 bis 1663 auf den Grundmauern des während des Dreißigjähriges Krieges zerstörten Bischofssitzes errichten ließ. Ein Festjahr völlig zu Recht. Bis heute ist die Geschichte der Klein-Herzogtümer kaum in das überregionale Gedächtnis vorgedrungen. Dabei ist Mitteldeutschland, vor allem die Region des heutigen Sachsen-Anhalt, ohne deren Wirken kulturhistorisch gar nicht zu begreifen.
Diese Herzöge waren es, die die Verheerungen des Dreißigjährigen Krieges baulich, gesellschaftlich und verwaltungstechnisch zu überwinden halfen. Sie holten Komponisten wie Bach, Händel, Krieger, Beer und Schütz an ihre Höfe, genauso wie den bedeutenden Bildhauer und Architekten Johann Michael Hoppenhaupt. Im Fall Zeitz ist es sogar eine Rückholung nicht nur im übertragenen Sinn, die zu feiern ist: Mit der heutigen Eröffnung der Ausstellung "Zeit der Herzöge - Barocke Residenzkultur in Zeitz" werden die Privatgemächer der Regenten wieder in einer annähernd originalnahen Anmutung präsentiert. Nicht mehr nur weiß getüncht, sondern farbig gestaltet, empfangen die Wohnräume in der ersten Etage. Das Schloss, das von 1820 bis 1929 als preußisches, dann städtisches Gefängnis diente, lässt nun auch im Inneren die Schönheit des Zeitzer Barock wieder erahnen. Die Kassettendecke im Tafelgemach genannten Festsaal ist ein eigenes Kunstwerk.
Zeitzische Langmähne
Schöne Stücke sind in der von Lutz Grumbach gestalteten Schau zu sehen, die einen Grundkurs in Sachen sächsische Sekundogenituren erteilt. Da sind die größtenteils von Christian Schäffer gestalteten Totenbilder der Herzogsfamilie, Werke ganz aus dem Geist des Barock, die sogar eine eigene Ausstellung getragen hätten. Viel herrschaftlicher Haus- und Zierrat wird gezeigt, Bildnisse, Schriftstücke und Druckwerke. Die Zeitzer Hoffeuerordnung von 1672 zum Beispiel, die einen Blick in die Logistik des Hofunternehmens gestattet. Oder die Darstellung einer "Zeitzischen Langmähne": ein "merkwürdiges Pferd" also "mit einer 7 3 / 4 Ellen langen Mähne", umgerechnet rund 14 Meter lang.
Zwei Generationen währte die Hofhaltung zu Zeitz; 1718 starb mit dem zweiten der letzte Herzog. Die Bruderlinien hielten etwas länger durch: Sachsen-Merseburg bis 1738, Sachsen-Weißenfels bis 1746. Dass das Abenteuer der Sekundogenituren Sachsen, das seit 1697 die polnische Königskrone hielt, geschadet hätte, ist nicht nachweisbar. Unangenehm war es dem Hause gleichwohl. Kaum war der letzte Zeitzer Herzog gestorben, wurde dessen Hausrat nach Dresden geschafft oder versteigert. Ein höfisches Leben sollte, auch als Ableger der Dresdner Residenz, in Zeitz nicht mehr stattfinden.
Zeitz: bis 7.10., Di-Mo 10-17 Uhr. Katalog zu allen Ausstellungen: 380 S., 24,95 Euro