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Rudolf Noelte Rudolf Noelte: Meisterregisseur gestorben

08.11.2002, 12:57

Berlin/München/dpa. - Als kompromissloser und konsequenter Purist machte Rudolf Noelte Theatergeschichte und wurde zu einem der wegweisenden Regisseure des deutschen Nachkriegstheaters. Am Donnerstagabend ist der Künstler im Alter von 81 Jahren in Garmisch- Partenkirchen den Folgen einer Lungenentzündung erlegen. Er soll in Berlin beigesetzt werden, teilte die Akademie der Künste am Freitag mit, deren Mitglied Noelte war und die auch seinen künstlerischen Nachlass besitzt.

Für sein Lebenswerk wurde der in Berlin geborene große Theatermann, der seit Jahren an der Alzheimer-Krankheit litt und gepflegt werden musste, vor drei Jahren mit dem Ehrenpreis des Bayerischen Theaterpreises ausgezeichnet. Er inszenierte 50 Jahre lang an allen namhaften deutschsprachigen Bühnen und führte auch Regie bei Opern, Filmen und Hörspielen. Noelte gilt als Begründer eines neuen Realismus. Auch Licht und Kulisse wurden von ihm akribisch mitbestimmt, seine eindringlichen Bilder und Stimmungen nutzten die Ausdruckskraft des Gewöhnlichen.

Noeltes Domäne war das «Bürgerlich-Dekadente», seine bevorzugten Autoren Henrik Ibsen, Georg Büchner, Anton Tschechow, August Strindberg, Carl Sternheim und Eugene O'Neill. Legendären Ruf genoss zum Beispiel seine Inszenierung von Gerhart Hauptmanns Stück «Die Ratten» von 1977 an der Freien Volksbühne in Berlin. Er arbeitete mit den bedeutendsten deutschen Schauspielern zusammen, von Marianne Hoppe und Elisabeth Flickenschildt über Maximilian Schell und Klaus Maria Brandauer bis zu Bernhard Minetti, Will Quadflieg, Götz George und Senta Berger. 80 Prozent der Regiearbeit, so pflegte Noelte zu sagen, sei bereits mit der Besetzung der Rollen getan.

Die Inszenierungen des Theatermannes waren stets von Anfang an festgelegt, zu Beginn der Proben hatte er bereits jeden Gang, jede Replik mit der dazugehörigen Geste im Kopf. Er galt als schwieriger Regisseur, doch rühmte man ihn als einen Theatermann, von dem die Darsteller in einem Stück mehr lernten als während ihrer gesamten Schauspielausbildung. Seine psychologisch-realistischen Inszenierungen haben Maßstäbe gesetzt.

Noeltes Ehe mit der um 21 Jahre jüngeren Schauspielerin Cordula Trantow, von der er zwei Söhne hat, wurde 1980 geschieden. Die beiden lebten aber noch jahrelang zusammen. Der Regisseur wirkte oft beim Weilheimer Theatersommer mit, der von Trantow gegründet und geleitet wurde. Mit zunehmendem Alter machte ihm die Alzheimersche Krankheit zu schaffen. Eine ehemalige Assistentin nahm ihn zeitweise bei sich auf und organisierte eine Betreuung rund um die Uhr. Dank ihrer Pflege erholte sich Noelte geistig und körperlich relativ gut. Noch vor zwei Jahren hatte die Berliner Akademie der Künste um Spenden gebeten, um Noelte weiterhin einen angemessenen letzten Lebensabschnitt zu ermöglichen.

Nach einem Studium der Germanistik, Philosophie, Kunstgeschichte und Theaterwissenschaft in seiner Heimatstadt Berlin wurde der Sohn eines Architekten Schauspieler und Regieassistent am Hebbel-Theater und sammelte unter Jürgen Fehling, Erich Engel und Walter Felsenstein erste Erfahrungen. 1948 inszenierte er Wolfgang Borcherts Heimkehrerstück «Draußen vor der Tür» und schaffte damit den Durchbruch. Von 1952 an arbeitete Noelte am Berliner Schiller- und Schlosspark-Theater. Seine damaligen Inszenierungen, darunter des Stücks «Belagerungszustand» von Albert Camus, hoben ihn schon als 30- Jährigen in die erste Reihe der bundesdeutschen Theaterregisseure.