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Rockhaus Rockhaus: Mittendrin statt nur dabei

Von Steffen Könau 17.02.2012, 17:53

Halle (Saale)/MZ. - Für genau fünfzehn Sekunden könnte es auch eine andere Band sein. Eine mit Gitarren, die auf einem Boden aus federndem Rhythmus tanzen. Eine mit einem Pianisten, der darüber Töne wie Sekt perlen lässt. Sekunde 16, der Sänger setzt ein. Sofort ist kein Zweifel mehr möglich, denn Mike Kilian klingt noch immer wie damals, vor 25 Jahren, als er und seine Band Rockhaus mit dem Album "I.L.D." bewiesen, dass Gesellschaftskritik rocken und ein pathetisches Liebeslied rollen kann.

Seit drei Jahren sind sie wieder da, die fünf Berliner, die einst angetreten waren, die Puhdys vom DDR-Rockthron zu stoßen. Das klappte nicht ganz, weil die DDR sich vorher selbst auflöste und das Rockhaus wenig später folgte. Erst mit "Positiv" meldeten sich Kilian, Gitarrist Reinhard Petereit, Bassist Reinhardt Repke, Drummer Heinz Haberstroh und Keyboarder "Beathoven" Mohren zurück - mit so großem Erfolg, dass nun schon das nächste Album folgt. "Treibstoff" macht weiter, wo "Positiv" aufgehört hat. Es sind nicht mehr Spaßsongs wie der ganz frühe Hit "Bonbons & Schokolade", aber auch nicht mehr Lieder aus der Perspektive eines Heranwachsenden wie die auf "I.L.D.", die das Quintett mit Produzent Rainer Oleak in Hoppegarten eingespielt hat. Hier spielen Väter, Ehemänner, die einiges erlebt haben. Leute mit einer Geschichte, denen es nicht mehr um den schönen Lack auf dem Blech geht, sondern um das, was den Menschen wirklich antreibt. Schon das Eröffnungsstück "Wir" wagt den Spagat zwischen leichter Form und schwergewichtigem Inhalt: "Wir haben gelernt, zu lügen / vergessen zu lieben", heißt es, "uns selbst belogen / für den falschen Schein verbogen". Dann verwandelt der Refrain das Lied in einen Ohrwurm Marke "Mich zu lieben": "Wir waren nicht dabei / waschen unsere Hände von Sünde frei".

Jedes der 13 Stücke hat als Namen nur ein Wort und keines braucht mehr, um im Ohr zu bleiben. "Leben" entwickelt aus einer stampfenden Strophe einen dramatischen Chorus. Das folgende "Blutrot" fängt mit einem prägnanten Gitarrenriff gleich dramatisch an. "Jahr" kombiniert eine flüsternde Akustikgitarre mit einem Mike Kilian, der das Leben als Wanderung im Wandel der Jahreszeiten beschreibt: "Ich muss den Winter überstehen / für ein neues Jahr".

Das aber ist einer der seltenen Momente, in denen Nachdenklichkeit hier im Balladenmantel hereinschneit. So tiefgründig die Texte sind, die Kilian und Petereit geschrieben haben, so offensiv marschieren "Geh!", "Allein" und "Gold" nach vorn, ohne dass das Album je gleichförmig wirkt. Dafür sorgen nicht nur die Verzierung mit Chören, Klavieren oder der in "Geh!" verfremdete Gesang. Sondern vor allem der Mann am Mikrophon, der auch ein Vierteljahrhundert nach "Disco in der U-Bahn" einer der prägnantesten Vokalisten deutscher Zunge ist.

Mike Kilian prägt so auch dieses sechste Rockhaus-Album. Bei der herzzerreißenden Trennungsromanze "Wie" bricht ihm die Stimme fast, bei "Welt" kuschelt sich der Text an einen sperrigen Takt und bei "Gold" geht es im Maschinenrhythmus mit großer Melodie um die Generalabrechnung mit der Gegenwart. "Die Segel voll Gier, dem Abgrund entgegen."

Danach kann nur das ganz Große, das ganz Kleine, das ganz Private kommen - und genau das tut es. "Besseres" ist ein reuevolles Gebet, eine atemlose Abbitte: "Wenn Du mir vergibst, weil Du mich liebst, denk' ich, verdient hast Du was Besseres als mich."

Rockhaus live am 24. Februar in Magdeburg, 25. Februar in Landsberg, 2. März in Leipzig

Mehr Termine: www.rockhaus.net