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Rio Reiser im Centraltheater Rio Reiser im Centraltheater: Statt Cocktails werden Klischees gereicht

Von mathias schulze 15.03.2013, 19:18
Peter Schneider spielt Rio Reiser.
Peter Schneider spielt Rio Reiser. rolf arnold Lizenz

leipzig/MZ - Der Leipziger Schauspieler Peter Schneider hat sich zusammen mit Barbara Trommler und unter der Regie von Uwe Bautz in dem Theaterstück „Rio Reiser – Der Traum ist aus, aber ich werde alles geben, dass er Wirklichkeit wird“ auf die Suche nach dem Menschen hinter der Fassade begeben. Gefunden wird er aber nicht.

Dabei ist alles arrangiert und wäre es 16 Jahre nach seinem Tode höchste Zeit. Das Centraltheater entpuppt sich dieser Tage als antike Arena, schmuck in Weiß, der Raum wurde anlässlich des Abschiedes von Intendant Sebastian Hartmann für viel Geld umgebaut.

Klinisch rein ist die Atmosphäre, an den Instrumenten trägt man Engelsflügel, Nebel zieht auf, man wähnt sich in einer Lounge. Statt Cocktails kommen jedoch nur Klischees. Anfangs trägt Schneider einen weißen Strampelanzug, kramt in alten Familienfotos und sitzt als Rio Reiser im Himmel. Das soll auch für die Zuschauer gelten.

Wenn jedoch anschließend nur die üblichen Künstlerideologien propagiert werden, wünscht man sich einen Platz in der Hölle. Schneider rennt und fuchtelt, was das Zeug hält, immer von links nach rechts, immer wedelnd mit den Armen, faselt lächerlich devot mit Kasperlepuppen und wirtschaftet sich als hamlesker Zappelphilipp rechtschaffend ab. Noch nicht einmal der Gesang zündet.

Reiser ist das erdig Energische, dass sich nicht aus dem Haus herauskriegen lässt, das nervös Kraftvolle, das Drängende, dass Schritt für Schritt ins Paradies will, das Verträumte, das die Liebe kernig festhält. Schneider ist das harmlos Softe, das sich besaufen will, das Unkontrollierte, das die Welt einreißt, das Stolpernde, das pubertär einfach umfällt, das Hemmungslose, das sich bis auf die Unterhose auszieht.

Wenn dann noch Nietzsches Zarathustra zitiert wird, Reiser unter christlichen Botschaften leidend als existenzialistischer Dauerbrenner verheizt wird, kann viel über bürgerliche Künstlervorurteile nachgedacht, wenig aber über die Person erfahren werden.

Das Stück, immer wechselnd zwischen affektiertem Blödeln und den allseits bekannten Hits, erzählt zwar von der Absicht Volkslieder zu singen, von Gedanken über den Tod, von den Widersprüchen in Gesellschaft und Kunst, macht Ralph Möbius aber, so der bürgerliche Name Reisers, zu einem unwissenden Nerd, der sein „Für immer und dich“ derjenigen zuflüstert, die gerade einen Gürtel für die rutschende Hose zu bieten hat. Hier ist das Zauberland schon vollständig abgebrannt.

Keine Spur vom „König von (West) – Deutschland“, kein Hauch von Berliner Hausbesetzer-Szene, keine Anspielung auf den Entwicklungsroman von Karl Philipp Moritz aus dem 18. Jahrhundert. Dort lässt der Autor einen Jüngling namens Reiser solange durch die Welt irren, bis es zu einer glücklichen Eingliederung in die als vernünftig behaupteten Verhältnisse kommt, bis er seine Ideale an der Welt abgeschliffen hat.

Von dort hat Möbius seinen Künstlernamen. Es wird wohl noch einige Zeit dauern bis man einen der wichtigsten deutschsprachigen Künstler der Nachkriegszeit gebührend ehren kann. Ralph Möbius hätte es verdient.

Nächste Vorstellung im Centraltheater Leipzig am 28. März um 18 Uhr